In Trippelschritten zur Euro-Reform

Mühsame Weiterentwicklung des ESM zum Währungsfonds - Eurogruppe überprüft Instrumentenkasten

In Trippelschritten zur Euro-Reform

Die Eurogruppe hat sich gestern nicht auf eine Neujustierung des Instrumentenkastens des Eurorettungsschirms einigen können. Vor allem die Ausgestaltung einer vorbeugenden Kreditlinie bleibt strittig. Eine Verständigung, welche Rolle der ESM in künftigen Krisen spielen soll, wird bis Dezember angestrebt.Von Andreas Heitker, LuxemburgVon einer großen Reform der Eurozone, einer echten Vertiefung der Währungsunion, ist die Eurogruppe auch nach monatelangen Beratungen weit entfernt. Und wie schwierig es ist, selbst kleine Rädchen zu drehen, zeigte sich gestern einmal mehr bei einem Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg. Auf der Agenda stand die Weiterentwicklung des Eurorettungsschirms ESM zu einem Währungsfonds, also die Rolle des ESM in künftigen Krisen und die dazu gehörigen Kompetenzen. Eine Einigung hierzu wurde aber erneut nicht erzielt, wie Eurogruppen-Chef Mario Centeno nach der Sitzung einräumen musste. Es seien noch weitere Arbeiten nötig.Vor allem der Instrumentenkasten des Europäischen Stabilitätsmechanismus wurde sechs Jahre nach ESM-Gründung erstmals einem genauen Review unterzogen. Denn von seinen heutigen Möglichkeiten hat der in Luxemburg ansässige Rettungsschirm erst zwei genutzt: in vier Fällen ein “großes” makroökonomisches Anpassungsprogramm (Griechenland, Irland, Portugal, Zypern) sowie einmal auch eine Kreditlinie zur indirekten Bankenrekapitalisierung (Spanien). Zwei andere Instrumente standen gestern zur Disposition: Weitgehend Einigkeit besteht unter den Euro-Finanzministern, dass die Option einer direkten Bankenrekapitalisierung abgeschafft gehört, da dieses Thema mittlerweile über die Bankenabwicklungsrichtlinie und die Bankenabwicklungsbehörde SRB abgedeckt wird.Strittig ist dagegen weiterhin, wie mit den zwei vorbeugenden Kreditlinien umgegangen werden soll, die der ESM theoretisch Euro-Ländern gewähren könnte, die sich in kleineren Krisen befinden, aus denen sie sich aber immer noch aus eigener Kraft wieder befreien könnten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat eine ähnliche Kreditlinie bereits drei Mal vergeben: an Mexiko, Kolumbien und Polen. In allen drei Fällen wurde im Endeffekt kein Geld ausgezahlt – allein der Versicherungseffekt durch die IWF-Linie reichte schon, die Märkte zu beruhigen. Der ESM hat sich das IWF-Instrument zum Vorbild genommen, eine eigene vorbeugende Kreditlinie dennoch noch nie vergeben. Dabei gelte es mit dem Instrument zu verhindern, dass aus einer kleinen Krise eine große werde, betonte ESM-Chef Klaus Regling gestern noch einmal die Bedeutung des Instruments. KompetenzüberschneidungenDoch die Justierung der Zugangskriterien gestaltet sich schwierig. Frankreich setzte sich bereits im Vorfeld der gestrigen Eurogruppe für Erleichterungen bei der Ex-Post-Konditionalität ein. Die Bundesregierung forderte im Gegenzug gleich Kompensationen an anderer Stelle, um keinerlei Verunsicherungen an den Märkten zu provozieren. Berlin steht an der Seite auch anderer nordeuropäischer Staaten, die wollen, dass vorbeugende Kreditlinien ohnehin nur fiskalisch gesunden Euro-Ländern in Anspruch nehmen dürfen.Neben der Frage der richtigen Balance der heute sechs Zugangsbedingungen hat der juristische Dienst der EU-Mitgliedsländer in der vergangenen Woche noch auf ein weiteres Problem aufmerksam gemacht: Je mehr Kompetenzen der ESM jetzt bei der volkswirtschaftlichen Analyse aufbaut, die bei einer stärkeren (Gläubiger-)Rolle auch notwendig ist, desto stärker kommt er damit auch der EU-Kommission ins Gehege. “Je umfassender die Überschneidungen sind, desto geringer ist der Grad der Autonomie des ESM und desto mehr ist die Einbeziehung der Kommission als Garant für Kohärenz erforderlich”, heißt es in dem Kurzgutachten der Juristen.Und das heißt: Die EU-Verträge lassen eine Kompetenzausweitung des zwischenstaatlich organisierten ESM gar nicht ohne weiteres zu. Nach Angaben von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sind 80 % der künftigen Zusammenarbeit von Kommission und ESM bereits vereinbart. Die restlichen 20 % dürften kniffelig werden. Centeno bleibt auf jeden Fall dabei, dass die ESM-Weiterentwicklung im Paket mit anderen kleinen Reformen für die Eurozone im Dezember von der Eurogruppe verabschiedet wird.