Inflation in Euroland entfernt sich von EZB-Ziel

Teuerung geht überraschend auf 1,4 Prozent zurück - Kernrate enttäuscht - Spekulation auf Zinssenkung

Inflation in Euroland entfernt sich von EZB-Ziel

ms Frankfurt – Der Preisauftrieb im Euroraum hat sich im März überraschend abgeschwächt. Die jährliche Inflationsrate ging von 1,5 % im Februar auf 1,4 % zurück, wie Eurostat gestern in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten im Mittel mit einem unveränderten Wert gerechnet. Auch die Kernrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise ging stärker zurück als erwartet – von zuvor 1,0 % auf 0,8 %. Ökonomen hatten dagegen 0,9 % prognostiziert.Die Inflation im Euroraum entfernt sich damit nicht nur erneut vom Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp 2 %. Der Rückgang der Kernrate verstärkt zudem Zweifel, dass es bald eine deutliche und nachhaltige Gegenbewegung geben wird. Das dürfte die Euro-Hüter in ihrem zuletzt sehr vorsichtigen geldpolitischen Kurs bestätigen. Der EZB-Rat tagt nächste Woche Donnerstag wieder.Anfang März hatte der EZB-Rat angesichts der unerwartet starken Abkühlung der Euro-Wirtschaft und der mäßigen Inflation die für Ende 2019 avisierte Zinswende mindestens bis 2020 vertagt und neue Geldspritzen für die Banken beschlossen. Vergangene Woche hatte EZB-Präsident Mario Draghi gesagt, bei einer weiteren Abkühlung der Konjunktur könne die Zinswende noch weiter in die Zukunft verschoben werden.Im Vorwort des gestern veröffentlichten EZB-Jahresberichts warnt Draghi erneut vor “anhaltenden Unsicherheiten” wie der Gefahr von Protektionismus und betont, dass weiter “erhebliche geldpolitische Impulse” nötig seien, um ein Anziehen des Preisdrucks zu sichern. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos bekräftigte dies gestern bei der Präsentation des Berichts im Europaparlament mit den Worten: “Eine schwächere Wachstumsdynamik wird den inländischen Preisdruck prägen und die Anpassung der Inflation an unser Ziel verlangsamen.”Tatsächlich zieht die Teuerung nicht so an wie erwartet. Im März wurde nun der spürbare Anstieg der Teuerungsrate für Energie – 5,3 % nach 3,6 % im Februar – durch den merklichen Rückgang der Rate für Nahrungs- und Genussmittel – 1,8 % nach 2,3 % – weitgehend ausgeglichen. Zudem sank die Kernrate um 0,2 Prozentpunkte auf 0,8 %.Die Kernteuerung steht aktuell auch bei den Euro-Hütern im besonderen Fokus, weil sie als besserer Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck gilt. Ein Teil des März-Rückgangs dürfte nun darauf zurückgehen, dass 2019 anders als 2018 Ostern in den April fällt – was sich etwa bei Pauschalreisen auswirkt. Ein Teil könnte aber auch fundamentale Gründen wie eine schwächere wirtschaftliche Nachfrage haben.”Die Hoffnungen der EZB auf eine Zunahme des unterliegenden Preisauftriebs wurden erneut enttäuscht”, sagte Christoph Weil, Volkswirt der Commerzbank, zu den neuen Daten. Den Unternehmen falle es offensichtlich weiterhin schwer, ihre höheren Lohnkosten auf die Verbraucher umzuwälzen. “Dabei dürfte die schwächere Binnennachfrage eine bedeutende Rolle spielen”, so Weil.Inzwischen halten Investoren am Geldmarkt sogar eine Zinssenkung der EZB in diesem Jahr für möglich. Sie taxieren derzeit die Wahrscheinlichkeit auf 10 %. Die Wahrscheinlichkeit wird damit zwar noch als gering eingestuft. Aber es zeigt sich, wie stark sich die Zinserwartungen am Geldmarkt mittlerweile verändert haben. Noch im vergangenen Jahr waren dort Anleger für 2019 fest von einer Erhöhung ausgegangen.Die Euro-Hüter streiten gerade öffentlich über die Folgen speziell des negativen Einlagenzinses von aktuell -0,4 % für die Banken und damit die Kreditvergabe (vgl. BZ vom 28. und 29. März). In der Diskussion ist ein gestaffelter Einlagenzins, um die Kosten für die Institute aus diesem “Strafzins” abzumildern. Das könnte auch die Tür für eine weitere Absenkung dieses Zinses öffnen. Bislang hat der EZB-Rat aber keinerlei Signal in diese Richtung gegeben.