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Italien will einflussreiche Posten bei EZB und EU

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 5.7.2019 Nach der Einigung auf ein neues europäisches Personaltableau für die Spitzenebene und dem Verzicht auf die Einleitung eines Defizitverfahrens gegen sein Land sieht Italiens Premierminister...

Italien will einflussreiche Posten bei EZB und EU

Von Gerhard Bläske, MailandNach der Einigung auf ein neues europäisches Personaltableau für die Spitzenebene und dem Verzicht auf die Einleitung eines Defizitverfahrens gegen sein Land sieht Italiens Premierminister Giuseppe Conte die Zeit gekommen, personalpolitische Forderungen für Italien zu stellen. Er glaubt zwar, dass mit Christine Lagarde “die geldpolitischen Vorstellungen Mario Draghis” bei der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter gültig sind. Dennoch wünscht er sich, dass sein Land künftig einen Vertreter in das EZB-Direktorium schicken kann. “Wir haben Personen, die das Zeug dazu haben. Es gibt noch keine Entscheidung. Aber ich garantiere, dass die betroffene Person die entsprechenden Erwartungen erfüllt”, sagte Conte.Namen nennt er aber nicht. Doch als der aussichtsreichste Kandidat für die EZB gilt Fabio Panetta, der seit Mai Generaldirektor der Banca d’Italia ist und damit die Nummer 2 hinter Gouverneur Ignazio Visco. Panetta gehört der europäischen Bankenaufsicht an und vertritt Visco, wenn dieser nicht zu den EZB-Sitzungen nach Frankfurt gehen kann. Er ist außerdem eine der wenigen relativ unumstrittenen Ernennungen der letzten Zeit in Italiens Notenbank, deren Unabhängigkeit die aktuelle Regierung gerade einschränkt. Darüber hinaus gilt der 59-jährige Römer, der seit 1985 bei der Banca d’Italia tätig ist und an der römischen LUISS sowie an der London School of Economics studiert hat, als Verteidiger des italienischen Bankensystems. Er steht Draghi nahe.Weitere Kandidaten sind Eugenio Gaiotti (60), Chefvolkswirt der italienischen Notenbank, der von 1999 bis 2013 dem Monetary Policy Committee der EZB angehört und an der römischen Sapienza sowie der Washington University in St. Louis studiert hat, sowie Piero Cipollone. Letzterer, Jahrgang 1962, arbeitete nach seinem Studium an der Sapienza und in Stanford unter anderem bei der Weltbank, bevor er 2014 zur Banca d’Italia zurückkehrte.Generell ist die Nominierung italienischer Kandidaten sowohl für die EZB als auch für die Europäische Kommission, für die Conte einen “EU-Kommissar mit wirtschaftlichem Gewicht” fordert, heikel. Die beiden Regierungsparteien Lega und 5 Stelle gehören keiner der großen Parteienkonstellationen in Straßburg an. Vor allem bei den Anhörungen vor dem EU-Parlament könnten die Abgeordneten deshalb versucht sein, italienische Kandidaten in Schwierigkeiten zu bringen. Mit Rocco Buttiglione, der 2004 Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten der EU-Kommission war, wurde schon einmal ein Italiener abgelehnt – er musste sich zurückziehen. Rom muss deshalb versuchen, einen glaubwürdigen Kandidaten zu finden.Für den Posten eines EU-Kommissars wird Giulio Tremonti (71) gehandelt, der unter Silvio Berlusconi viermal Wirtschafts- und Finanzminister war und politisch weit rechts steht, aber dennoch ein gutes Standing hat. Auch Giampiero Massolo (64), Präsident der Werftengruppe Fincantieri, der auf eine lange diplomatische Karriere zurückblicken kann, werden Chancen eingeräumt.Der fachlich anerkannte Unterstaatssekretär und Lega-Vize Giancarlo Giorgetti scheint dagegen nicht nach Brüssel zu streben. Sollte Italien ein weniger prestigeträchtiges Ressort erhalten, gilt Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio (47) als möglicher Kandidat. Nur geringe Chancen hat Ex-Wirtschaftsminister Domenico Siniscalco, der aktuell bei Morgan Stanley arbeitet.