IM GESPRÄCH: GIULIANO POLETTI

"Italiens Arbeitsmarktreform zeigt Erfolge"

Arbeitsminister fordert weitere Anstrengungen

"Italiens Arbeitsmarktreform zeigt Erfolge"

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand”Die Arbeitsmarktreform Jobs Act funktioniert.” Arbeitsminister Giuliano Poletti zeigt sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zuversichtlich, was die künftige Entwicklung am italienischen Arbeitsmarkt betrifft. Und dies, obwohl die Ausgangsbasis mit einer Beschäftigungsquote von 57 % bis 58 % um bis zu 10 % im Vergleich unter den Quoten anderer Industrieländer liege. Die zu Wochenbeginn veröffentlichten Daten des statistischen Amtes Istat zeigen, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt langsam zu entspannen beginnt. Zwar liegt die Arbeitslosenquote mit 11,5 % immer noch weit über dem Schnitt anderer Euro-Länder. “Wir haben im zweiten Quartal im Jahresvergleich 439 000 beziehungsweise 2 % Beschäftigte mehr”, so Poletti. Es handele sich nicht nur um eine Zunahme der Beschäftigtenzahl, auch die Qualität der Arbeitsverträge habe sich verbessert. “Die meisten Neueinstellungen basieren auf zeitlich unbefristeten Arbeitsverträgen.” Steuerliche FörderungDer im vergangenen Jahr verabschiedete Jobs Act bedeutet zweifellos einen Meilenstein für Italiens Arbeitsmarkt. “Wir sehen Poletti als unseren Papst an”, meinte denn auch der auf Arbeitsrecht spezialisierte Mailänder Anwalt Aldo Calza. Denn Polettis Arbeitsmarktreform sei unbedingt notwendig gewesen und wesentlich radikaler ausgefallen als die vom Arbeitsrechtler Marco Biagi verfasste Reform. Biagi wurde 2002 wegen seiner “revolutionären” Ideen von der Terroristengruppe “Neue Rote Brigaden” ermordet. Ein Jahr später trat seine Reform in Kraft, die nun neuerdings verbessert wurde.Unter anderem hat der Jobs Act den bislang rigorosen Kündigungsschutz abgeschafft, der nicht nur die Neueinstellung von Arbeitskräften, sondern auch ausländische Investitionen in Italien bremste. Die Reform sieht auch die steuerliche Förderung bei der Umwandlung von Zeit- in unbefristete Arbeitsverträge vor. Auf die Frage, inwieweit die Regierung daran gehe, das Problem der Jugendarbeitslosigkeit von knapp 40 % zu lösen, meinte Poletti: “Es handelt sich um ein äußerst delikates Thema, das nicht nur durch die Rezession, sondern auch durch verkrustete Strukturen entstanden ist. Wir gehen auf verschiedenen Fronten gleichzeitig vor.” So wurden die Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche erweitert, die Lehrlingsausbildung eingeführt. Durch steuerliche Anreize von Investitionen soll auch die Produktionsbasis der Unternehmen erweitert werden, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der Jobs Act sieht Förderungen für die Anstellung jugendlicher Arbeitskräften vor. Hilfe von RentenreformDer diplomierte Agrartechniker verwies auch bei einem von der Deutsch-Italienischen Handelskammer organisierten Treffen in Mailand auf die Notwendigkeit, mit den Unternehmen zusammenzuarbeiten. Denn nur durch verbesserte Produktivität, durch steuerliche Anreize für Investitionen könne die Beschäftigungsbasis erweitert werden. Der Minister verwies auch auf die Notwendigkeit wachsender Investitionen für Technologie und Innovation hin, zwei Problemfelder, denen Italiens Kleinunternehmer noch teilweise sehr zurückhaltend gegenüberstehen.Auch von der “Reform der Rentenreform”, die noch im September vom Parlament verabschiedet werden soll, erwartet sich Poletti Anreize für den Arbeitsmarkt. Die von der Regierung Mario Monti 2012 verabschiedete Rentenreform wird reformiert. Das damals auf 67 Jahre erhöhte Rentenalter kann künftig auf freiwilliger Basis reduziert werden. Die zwischen 1951 und 1953 geborenen Arbeitnehmer können bereits ab kommendem Jahr “freiwillig” in Pension gehen. Allerdings wird ihre monatliche Rente – je nach Betrag – zwischen 5 und 25 % reduziert. Als Ausgleich können die Frührentner ein Bankdarlehen beantragen, das vom Staat garantiert und innerhalb von 20 Jahren zurückgezahlt werden soll. Die Reform hat bereits die wichtigste Hürde, den Widerstand der Gewerkschaften, überwunden.Poletti zeigte sich über den Ausgang des Referendums zur Verfassungsreform besorgt. Auf die Frage, ob die Regierung denn auch bei einem – für sie – negativen Ausgang im Amt verbleibe, meinte er: “Die Entscheidung liegt nicht an mir. Aber ich bin der Ansicht, dass wir eine gewisse politische Stabilität garantieren müssen.”