Italiens Politkomödie zieht Kreise

Partei 5 Sterne fehlen regierungsfähige Politiker - Regierungspartei uneins bei Verfassungsreform

Italiens Politkomödie zieht Kreise

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandIn Italien droht aus der aktuellen Politkomödie eine Tragikomödie zu werden. Zwar demontiert sich die Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S) derzeit von allein, doch Regierungschef Matteo Renzi steht mit dem Verfassungsreferendum selbst noch eine schwere Prüfung bevor.Die Unfähigkeit der Bürgermeisterin Roms, Virginia Raggi (M5S), eine glaubwürdige Stadtregierung zu bilden, wirft einen großen Schatten auf das Image der vom Komiker Beppe Grillo gegründeten Bewegung. Diese avancierte im Juni mit 32 % Zustimmung zur stärksten Partei. Bei der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demo sanken M5S auf 29 % Zustimmung und die Regierungspartei Partito Democratico legte auf 32 % zu.Die Römer hatten bei den Bürgermeisterwahlen mit knapp zwei Drittel aller Stimmen im Juni die Protestbewegung M5S und deren Kandidatin, die Rechtsanwältin Raggi, gewählt. Die Hoffnung war groß, dass diese eine Trendwende in der wegen ihres chronischen Transport- und Müllchaos berüchtigten “Hauptstadt der Mafia” einleiten könnte. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Streit innerhalb der Bewegung und Machtkämpfe setzen dem Image der einst “über jedem Verdacht von Korruption und Intrigen” stehenden Protestbewegung zu.Komiker und Moralapostel Grillo gab nun zu, dass “Irren menschlich sei”. Und nimmt damit nicht nur Bürgermeisterin Raggi, sondern auch Direktoriumsmitglied Luigi Di Maio in Schutz. Beide hatten das Volk belogen, indem sie erklärten, nichts von den gerichtlichen Ermittlungen gegen die von ihnen ernannte Umweltstadträtin Paola Muraro gewusst zu haben. Der 30-jährige Luigi Di Maio war als potenzieller Nachfolger des Regierungschefs Matteo Renzi im Gespräch. Der parteilosen Umweltbeauftragten werden Amtsmissbrauch und bislang nicht näher spezifizierte Tätigkeiten während ihrer Zeit als Beraterin für die Müllentsorgungsgesellschaft Ama vorgeworfen. Diese Behörde steht wegen Verdachts der Unterwanderung durch das organisierte Verbrechen im Visier der Ermittler. “Wie in einer Sekte”Auch der kürzlich zum Finanzstadtrat ernannte Rechnungshof-Richter Raffaele De Dominicis musste zurücktreten, bevor er sein Amt überhaupt antreten konnte. Gegen ihn wird ebenfalls ermittelt. Kurz vorher hatte bereits Consob-Direktoriumsmitglied Marcello Minenna als frisch ernannter Finanzstadtrat das Handtuch geschmissen. Nun ist Raggi auf der verzweifelten Suche nach einem Ersatz. Weitere vier Stadträte müssen ernannt werden. Doch Raggi muss bei allen Entscheidungen die Bewilligung von Grillo einholen. “Wie in einer Sekte” kritisiert Italiens Tageszeitung “La Repubblica”. Tatsache ist, dass die vor zehn Jahren gegründete Bewegung zwar auf reichliche Stimmen durch ihren Webauftritt, aber auf keine regierungsfähigen Politiker zurückgreifen kann.Doch es ist noch zu früh, als dass sich Regierungschef Renzi freuen könnte. Ende November/Anfang Dezember findet die Volksabstimmung über die bevorstehende Verfassungsänderung statt. Die Reform beinhaltet unter anderem eine Loslösung vom Zweikammersystem. Dadurch soll die Gesetzgebung vereinfacht und beschleunigt, der Politikbetrieb verschlankt und dessen Kosten reduziert werden. Es ist der größte Systemumbau seit 1945. Nachdem die Verfassungsänderung bereits die parlamentarische Hürde genommen hat, kommt es für die Umsetzung nun auf das Referendum an.Es steht außer Frage, dass die europafeindliche Opposition – von Silvio Berlusconis Forza Italia bis zur Lega Nord, den extremen Rechten und der Fünf-Sterne-Bewegung – gegen die Reform sind. Dies wird einer Opposition zugestanden. Weniger klar ist, dass nun auch die Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei die Reform noch stoppen könnten. “Der Partito Democratico zerfleischt sich selbst”, kritisiert Massimo Franco im “Corriere della Sera”. Am Wochenende hat auch die linksradikale Gewerkschaft CGIL verlauten lassen, dass ihre Mitglieder gegen die Reform stimmen sollen.Ursprünglich hatte der Regierungschef sein politisches Schicksal an den Ausgang des Referendums gebunden. Dadurch hätte die EU einen Verbündeten verloren. Inzwischen ist Renzi vorsichtiger geworden. Er hat allen Grund, um sein Prestigeprojekt zu zittern. Denn nach Meinungsumfragen Ende August haben inzwischen die Gegner des Referendums mit 52 % die Befürworter überholt. Renzi tritt nun zurückhaltender auf und bestätigte in mehreren TV-Politshows, dass sein Verbleib in der Regierung nicht am Ausgang des Referendums hänge und politische Wahlen erst 2018 stattfinden sollen. Auswirkungen auf EuropaDoch wie dem auch sei: Sollte die Reform scheitern, ist Renzis Position geschwächt. In Berichten verweisen US-Banken, darunter auch Goldman Sachs, auf eine dann drohende Verunsicherung der Finanzmärkte. Die für 2017 angekündigten Kapitalerhöhungen bei MPS und Unicredit könnten auf Schwierigkeiten stoßen, die Zinsspanne italienischer Staatsanleihen zu deutschen Papieren wieder zunehmen, das Wachstum negativ beeinflusst werden. Die Auswirkungen des Referendums betreffen zudem nicht nur Italien. Geht die Reform nicht durch, schwächt dies einen zentralen Verbündeten Europas. Zu einem Zeitpunkt, wo Deutschland, Italien und Frankreich nach der Brexit-Entscheidung eigentlich Stärke demonstrieren sollten.