Italiens Regierung im Visier der EU

Mahnbrief aus Brüssel - ESM-Chef warnt vor Überreaktion - Streit innerhalb der Koalition in Rom

Italiens Regierung im Visier der EU

bl/ahe Mailand/Brüssel – Der Konflikt zwischen der EU und Italien, aber auch Streitigkeiten innerhalb der Regierung in Rom spitzen sich immer weiter zu. Die EU-Kommission sieht im Haushaltsentwurf der italienischen Regierung schwere Verstöße gegen die Regeln der Eurozone. Die Pläne zur Neuverschuldung seien eine “noch nie dagewesene” Abweichung von den Kriterien des Stabilitätspaktes, heißt es in einem Brief von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der am Donnerstag an Rom ging. Draghi pocht auf RegelnIn dem Schreiben ist von einer “besonders schweren Zuwiderhandlung” die Rede. Italiens Finanzminister Giovanni Tria muss nun bis zum Montag der Kommission antworten.Die populistische Regierung aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega will die Neuverschuldung weiter ausbauen, obwohl das Land so hoch verschuldet ist wie kaum ein anderes auf der Welt. Das Thema sorgt schon seit Wochen für Spannung zwischen Rom und Brüssel. Dabei geht es auch um eine Grundsatzdebatte, ob in der EU vereinbarte Regeln eingehalten werden.Die Einhaltung der EU-Haushaltsregeln ist EZB-Präsident Mario Draghi zufolge im Interesse aller Beteiligten. Es sei nicht erwiesen, dass Regelverstöße zu Wohlstand führten, sagte Draghi laut einem Insider bei dem EU-Gipfel am Donnerstag, wie Agenturen meldeten. Sie seien aber für alle kostspielig. Daher müssten die Haushaltsregeln sowie der Stabilitätspakt im Eigeninteresse aller respektiert werden, betonte Draghi, ohne allerdings Italien explizit zu nennen.Unterdessen verschärfen sich die Spannungen auch innerhalb der italienischen Regierung. Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini wies den von Luigi Di Maio, ebenfalls Vizechef und Vorsitzender des Koalitionspartners 5 Stelle, im Fernsehen gemachten Vorwurf, der Text zur geplanten Steueramnestie sei vor der Übermittlung an den Präsidenten manipuliert worden, scharf zurück. “Wir sind seriös. Das, was wir vereinbart haben, steht im Text”, sagte Salvini. “Alle wussten Bescheid.” Di Maio, der innerparteilich unter Druck steht, reagiert zunehmend gereizt und unprofessionell. Aus dem Präsidentenpalast hieß es überdies, der Haushaltsentwurf sei noch gar nicht eingegangen.Der Streit über den italienischen Haushalt stand zwar nicht offiziell auf der Agenda, doch auch auf dem EU-Gipfel in Brüssel wurden wieder Warnungen in Richtung Rom geschickt. “Jede Überschuldung halte ich für gefährlich”, sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Treffen von Merkel mit ConteAuch andere EU-Regierungschefs mahnten, dass die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingehalten werden müssten. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani äußerte sich am Rande des Gipfels ebenfalls kritisch. Die Haushaltsplanung in Rom sei nicht gut, sagte der Italiener. Es gebe keine Investitionen, zu wenig Geld für Infrastruktur, keine Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen, dafür viele “Staatshilfen”.Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte in Brüssel verschiedene Einzelgespräche geführt, unter anderem auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Conte verwies im Anschluss darauf, diese sei “sehr aufmerksam, sehr interessiert (. . .), sehr beeindruckt, würde ich sagen, von dem Strukturreformpaket” gewesen. Beide seien sich einig, dass es über den Haushaltsplan einen “konstruktiven Dialog” geben müsse.Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, warnte unterdessen vor einer Überreaktion. Die Budgetplanung Italiens stehe “sicher nicht im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt”, stellte Regling auf einer Veranstaltung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) in Brüssel klar. Er gehe auch davon aus, dass die EU-Kommission, der Ecofin-Rat und die Eurogruppe versuchen würden, die italienische Regierung zu überzeugen, Anpassungen vorzunehmen. “Es besteht aber kein Anlass zur Panik.” Regling verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Stärken Italiens, wie etwa den Leistungsbilanzüberschuss, einen relativ hohen Primärüberschuss, lange Laufzeiten bei der Haushaltsfinanzierung und eine hohe inländische Ersparnis. Letztlich sei auch entscheidend, dass mehr als 60 % der Italiener den Euro befürworteten, betonte der ESM-Chef. Nur ein Viertel wolle die Lira wiederhaben.