Italiens Regierung ist entscheidungsunfähig

Mehrheit im Senat verloren - Koalition zerstritten

Italiens Regierung ist entscheidungsunfähig

bl Mailand – Nichts geht mehr in Italiens Regierung. Die Koalitionspartner Partito Democratico (PD) und 5-Sterne-Bewegung sind völlig zerstritten. Die italienische Regierung hat die Mehrheit im Senat verloren. Seit den Wahlen im März 2018 haben 41 Abgeordnete und Senatoren der 5 Sterne die Partei verlassen. Weitere Abgänge stehen bevor. Premierminister Giuseppe Conte wirkt wie gelähmt und schiebt Entscheidungen auf die lange Bank.Für zentrale Vorhaben wie einen Nachtragshaushalt, ein Aufbauprogramm und sogar für eine Zustimmung zu den europäischen Hilfsprogrammen hat die Regierung keine Mehrheit mehr. Die Hilfen des Euro- Rettungsfonds ESM lehnt Conte ab, weil die 5-Sterne-Populisten sie aus ideologischen Gründen nicht wollen.Selbst das Dekret zur Vereinfachung von Verwaltungsprozessen hat der Premierminister verschoben. Und fast zwei Jahre nach dem Einsturz der Autobahnbrücke von Genua ist nicht entschieden, ob der Autobahngesellschaft Aspi, einer Tochter des Infrastrukturkonzerns Atlantia, deshalb die Konzession für das Autobahnnetz entzogen wird. Das Unternehmen bekommt wegen der Unsicherheiten keine Kredite mehr für Investitionen. Rom plant Verstaatlichungen, will die seit Jahrzehnten insolvente Fluggesellschaft Alitalia mit weiteren 3 Mrd. Euro “retten” und beim maroden Stahlwerk von Taranto einsteigen.Doch auch das ist noch nicht entschieden. Sogar die Mittel des European Recovery Plan drohen verloren zu gehen, weil sich die Regierung nicht entscheiden kann, wofür die geplanten 173 Mrd. Euro verwendet werden sollen. Rom denkt an Steuersenkungen, während führende Ökonomen wie Marco Fortis von der Università Cattolica in Mailand Bürokratieabbau und öffentliche Investitionen für vordringlich halten. Eine Verwendung der Mittel für Steuersenkungen ist von Brüssel gar nicht vorgesehen. Einen Plan will Conte erst im September vorlegen.Auf nationaler Ebene beschlossene Hilfen für Unternehmen und Beschäftigte sind wegen der Bürokratie oft noch gar nicht angekommen. Aus Furcht vor sozialen Unruhen sollen die Kurzarbeitsregelungen und das Verbot von Entlassungen vermutlich bis Jahresende verlängert werden. Das dürfte die Verschuldung des Landes auf 170 % des Bruttoinlandsprodukts treiben. Viele Beobachter halten nun Neuwahlen im Herbst für möglich.