Italiens Regierung kämpft um ihr Überleben
bl Mailand – Nach der klar gewonnenen Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus hat Italiens Premierminister Giuseppe Conte bis in die Abendstunden des gestrigen Tages um eine Zustimmung des Senats gekämpft. Am frühen Abend standen die Karten schlecht für Conte. Im Verlauf der den ganzen Tag dauernden Debatte zeichnete sich ab, dass Conte keine Chance auf eine absolute Mehrheit haben würde. Die Debatte dauerte bei Redaktionsschluss an.Bei einer Niederlage im Senat drohen Neuwahlen, die aller Voraussicht nach die populistische rechte Opposition unter Matteo Salvini und Giorgia Meloni für sich entscheiden würde. Conte könnte aber unter Umständen auch mit eine relativen Mehrheit an der Macht bleiben. Eine absolute Mehrheit ist nur in wenigen Fällen, etwa bei der Verabschiedung des Staatshaushalts, erforderlich.Conte warb in seinen Einlassungen vor der zweiten Kammer des Parlaments um die Zustimmung jedes einzelnen Senators. Seine Hoffnungen beruhten vor allem auf Überläufern aus der Mitte-rechts-Partei Forza Italia von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, dem Zentrum, unabhängigen Parlamentariern und der Kleinstpartei Italia Viva des früheren Premierministers Matteo Renzi, der die Regierungskrise mit dem Rückzug seiner Minister aus der Regierung ausgelöst hatte.Conte verzichtete auf jede Polemik und versuchte den ganzen Tag über, zögernde Senatoren zu überzeugen. Flehentlich appellierte er an “verantwortungsbewusste Parlamentarier”, dem Land in dieser schwierigen Stunde zu dienen. “Helft uns”, rief er mehrmals. Conte versuchte die Zustimmung von “Liberalen, Linken, Reformern und Europäern” durch Zugeständnisse wie eine Wahlrechtsreform mit starken Proporz-Elementen, einer Regierungsumbildung und einem Wahlprogramm für den Rest der bis 2023 dauernden Legislaturperiode zu erreichen. Er wolle die direkte Kontrolle über die Geheimdienste aufgeben. Ein Bündnis mit der rechtspopulistischen Lega, mit der er bis vor eineinhalb Jahren eine Regierung gebildet hatte, lehnte er ab.Contes Hoffnungen auf Überläufer erhielten immer wieder Dämpfer. Renzi griff ihn besonders scharf an. Der Ex-Premier kritisierte erneut den Verzicht auf Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Sanierung des Gesundheitssystems sowie fehlende Reformen im Rahmen des europäischen Wiederaufbauprogramms. Die Jugend zahle den Preis für den dramatischen Wirtschaftseinbruch und die auf 160 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegene Staatsverschuldung.