IWF fürchtet "ungeordneten" Brexit
Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), hat vor den Folgen eines “ungeordneten” Brexits gewarnt. Sollte Großbritannien die EU im kommenden Jahr ohne jede Übereinkunft verlassen, hätte das “schlimme” Konsequenzen, warnte sie bei einem Auftritt in London.hip London – Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat erneut vor den “schlimmen” Folgen eines britischen EU-Austritts ohne vorherige Übereinkunft mit Brüssel gewarnt. IWF-Chefin Christine Lagarde rechnet “weniger Wachstum, einen Anstieg des Haushaltsdefizits und eine Abwertung der Währung” zu den “unvermeidlichen” Konsequenzen. Im dem Bericht ist zudem von der Möglichkeit “scharfer Rückgänge” des Wechselkurses des Pfunds und anderer Assetpreise die Rede. Zuletzt hatte Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, einen möglichen Crash am Wohnimmobilienmarkt mit einem Preisrückgang von 35 % über drei Jahre ins Spiel gebracht – das Szenario des jüngsten Bilanztests der Notenbank. “Ich bin eine verzweifelte Optimistin, und ich hoffe und bete, dass es eine Einigung zwischen der Europäischen Union und Großbritannien geben wird”, sagte Lagarde.Bislang prognostiziert der IWF der britischen Volkswirtschaft für das Austrittsjahr 2019 ein Wachstum von 1,5 %. Diese Prognose beruhe jedoch auf einem reibungslosen Brexit, betonte Lagarde bei der Vorstellung des Ergebnisses der Artikel-IV-Konsultationen. Um ein “No Deal”-Szenario zu vermeiden, müssten grundlegende Probleme wie die Gestaltung der künftigen EU-Außengrenze in Irland und die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und Resteuropa nach dem Brexit gelöst werden, heißt es in dem Dokument. Stillhalten empfohlenDie Ökonomen der internationalen Organisation haben der Notenbank empfohlen, den Ball vorerst flach zu halten. In den vergangenen zwölf Monaten habe sie den Leitzins um 50 Basispunkte auf nun 0,75 % erhöht. Einem weiteren Abzug geldpolitischer Stimuli sollte “die klare Bestätigung für einen anhaltenden Anstieg des einheimischen Kostendrucks” vorangehen, raten die IWF-Volkswirte. Wenn negative Überraschungen die einheimische Nachfrage unter Druck setzen, solle man die lockere Geldpolitik länger beibehalten. Mit dem Abbau des zur Ankurbelung der Konjunktur zusammengekauften Anleiheportfolios solle man warten, bis der Leitzins auf ein Niveau zurückgekehrt sei, von dem er im Falle einer Krise deutlich gesenkt werden könnte.Prominente Brexit-Gegner wie Tony Blair, John Major und Nick Clegg trafen sich unterdessen mit europäischen Politikern, um sie davon zu überzeugen, den Austrittsprozess zu stoppen.Die britische Premierministerin Theresa May präsentierte sich bei einem Kaminfeuergespräch vor den Kameras der BBC unbeirrt vom Richtungsstreit in ihrer Partei. “Mein Deal oder kein Deal”, wurde ihr dabei von ihrem Gesprächspartner Nick Robinson in den Mund gelegt, nachdem sie klargemacht hatte, dass es aus ihrer Sicht keine vertretbaren Alternativen zu dem Vorschlag gibt, auf den ihr Kabinett auf ihrem Landsitz Chequers eingeschworen wurde. “Ich denke, dass die Alternative dazu wäre, keinen Deal zu haben”, sagte May.Mays parteiinterner Rivale Boris Johnson, der wenige Tage nach der vermeintlichen Einigung als Außenminister zurückgetreten war, warnte vor einem “spektakulären politischen Autounfall”. Den von der Regierung verfolgten Brexit könne man getrost komplett abschreiben. Erstmals seit 1066 würde sich das Land unter ausländische Herrschaft begeben. Er stellte sich dabei hinter die Vorschläge der von Jacob Rees-Mogg geführten European Research Group (ERG) zur Grenze mit Irland (vgl. BZ vom 13. September). Widerstand nimmt zuMay muss zwar auf dem Parteitag der Konservativen am 3. Oktober nicht fürchten, um ihr Amt gebracht zu werden. Aber der Widerstand gegen ihre Politik in Sachen Brexit nimmt zu. Wie die “Times” berichtet, arbeitet man derweil in Brüssel insgeheim an einem Kompromiss zu Nordirland, der den Einsatz technologischer Lösungen vorsieht, um möglichst wenig Kontrollen erforderlich zu machen.