IWF lockert die Haushaltsdisziplin

Zur Senkung der hohen Arbeitslosigkeit sollen die Staaten die Konsolidierung abschwächen dürfen

IWF lockert die Haushaltsdisziplin

Der IWF zeigt sich nachsichtiger bei der Ahndung den Konsolidierungsauflagen. Zwar hält er es nach wie vor für notwendig, dass vor allem die Industrieländer die Schuldenquoten zurückfahren, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aber soll es Ausnahmen geben. Das lässt Raum für Interpretationen und gibt vielen Staaten die nötigen Argumente für wieder höhere Defizite an die Hand.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Volkswirte des Internationalen Währungsfonds (IWF) reden in ihrem neuen Fiscal Monitor dem Begriff der “intelligenten Fiskalpolitik” das Wort. Damit soll ausgedrückt werden, dass es manchmal “intelligent” ist, die Konsolidierung zeitweise pausieren zu lassen, um etwa Strukturreformen durchzuziehen, die temporär bisweilen höhere fiskalische Belastungen mit sich bringen, oder um durch zielgenaue Steuersenkungen für einzelne Gruppen von Jobsuchenden die Arbeitslosigkeit besser bekämpfen zu können. Damit zusammenhängende Steuerausfälle sollen hingenommen und allenfalls teilweise gegenfinanziert werden, heißt es. Der Konsolidierung entstehe dadurch kein Schaden, weil das Wachstum künftig höher ausfallen wird und mehr Erwerbstätige auch höhere Steuereinnahmen generierten.In Bezug auf den “Fiscal Monitor” ist diese Haltung des IWF in gewisser Weise eine Kursänderung, weil die Fiskalstudie des IWF meist durch eine klare Sprache glänzt, wenn es um die Warnung vor staatlicher Überschuldung geht. Explizit wurden in der Vergangenheit Staaten benannt, welche die eigenen Konsolidierungsvorgaben nicht erreicht haben, und es wurde auf jene gezeigt, die durch immer höhere Defizite am Rande der Schuldentragfähigkeit wirtschaften. Prognosen zeigten, wann die Finanzmärkte wohl das Vertrauen in die Rückzahlfähigkeit dieser Staaten verlieren würden.Der neue Ansatz ähnelt der Haltung, die schon länger in Interviews von IWF-Offiziellen verbreitet wird: Die Notenbanken sollten durch Geldschöpfung stärker in den Wirtschaftskreislauf eingreifen, zugleich wird seit einiger Zeit vor einer zu großen “Austerität” gewarnt, weil viele Staaten damit ihr Wachstum abwürgen würden, was – so die Lesart – wiederum ihre Schuldentragfähigkeit verschlechtere.Dass viele Staaten die Argumentation des IWF einer “intelligenten Fiskalpolitik” nur zu gern aufnehmen, dürfte auch den Autoren klar sein. Denn noch niemals wurden Staatsausgaben ohne Angabe von Gründen erhöht. Speziell der Arbeitsmarkt wird als Argument immer wieder gern hergenommen, wenn neue soziale Wohltaten verteilt werden. Insofern dürfte es an argumentativem Unterbau für eine Pausierung der Konsolidierung künftig nicht fehlen. Auch Paris, das bereits mehrfach die verbindlichen Defizitvorgaben gebrochen hat, dürfte bei der nächsten Budgetmeldung nach Brüssel mit Verweis auf den IWF argumentieren, dass die notwendigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt nicht durch weitere Sparanstrengungen unterminiert werden dürften. Verschleppung der SparzieleIn einem mehr allgemein gehaltenen Ton warnten die IWF-Ökonomen aber natürlich weiterhin vor einer Verschleppung der Konsolidierung. In den entwickelten Volkswirtschaften habe die diesbezügliche Dynamik nachgelassen, zumal eine Reihe von Ländern bei der Zügelung der Defizite bereits weit vorangekommen sei. Insgesamt werde das konjunkturbereinigte Defizit nur noch um 0,4 Prozentpunkte in den Industrieländern zurückgeführt; zwischen 2011 und 2013 war es hingegen jährlich rund ein Prozentpunkt. Allenfalls in Irland und Portugal würden die Defizite weiter zügig verringert.Geholfen haben in jüngster Zeit bei der Konsolidierung aber auch die niedrigen Zinsen, wie der IWF betont. Die Staaten dürften sich aber nicht daran gewöhnen, sich in diesem Umfeld einrichten und die Fiskalpolitik danach ausrichten. Vor allen Dingen sollten sie die niedrigen Zinsen zu verstärkten Anstrengungen nutzen, den nach wie vor zu hohen Schuldenstand zurückzufahren, der ansonsten bis zum Ende der Dekade im Schnitt der Industrieländer über die Schwelle von 100 Prozent des BIP steigen wird.Die DZ Bank hat in einer aktuellen Studie beziffert, wie groß die Vorteile einiger Staaten durch die augenblickliche Niedrigzinsphase sind. Als Basis wurde der durchschnittliche Zinssatz der ausstehenden Verbindlichkeiten genommen, und die günstigeren Konditionen, die bei der laufenden Refinanzierung möglich sind, wurden gegengerechnet. Danach spart Spanien bis 2019 rund 63 Mrd. Euro ein, Frankreich 102,7 Mrd. Euro und Italien 103,1 Mrd. Euro. Diese spürbare finanzielle Entlastung werde in vielen Ländern aber nicht zur Konsolidierung verwendet, sondern erweise sich als “süßes Gift”, weil es eine bessere Schuldentragfähigkeit nur suggeriere. Entschuldungsplan gefordertInsgesamt verlangt der IWF von den Industrieländern die Aufstellung eines mittelfristigen Entschuldungsplans, um den Gläubigern und den Finanzmarktakteuren zumindest einen Anhaltspunkt zu liefern, mit welchem zeitlichen Horizont und mit welchen konkreten Maßnahmen eine Stabilisierung der Staatsfinanzen angestrebt werde.