IWF mahnt "Schlechtwetterfonds" in Euroland an

Lagarde macht Druck auf Euro-Politik - Milliardenbeiträge für Deutschland - Weidmann sieht Idee kritisch

IWF mahnt "Schlechtwetterfonds" in Euroland an

ms Frankfurt – Der Internationale Währungsfonds (IWF) appelliert eindringlich an die Euro-Politik, schnellstmöglich für mehr fiskalische Integration im Euroraum zu sorgen. Der Fonds legte gestern einen konkreten Vorschlag für einen “Schlechtwetterfonds” für wirtschaftlich harte Zeiten vor, der für Deutschland auf zweistellige Milliardenbeiträge pro Jahr hinausliefe. Zeitgleich warb IWF-Chefin Christine Lagarde bei einer Rede am DIW in Berlin für das Konzept und generell dafür, das aktuelle günstige Zeitfenster für weitere Euro-Reformen zu nutzen.Mit seinem Vorstoß heizt der IWF die Debatte über die Zukunft der Eurozone an. Aktuell geht es vor allem um die Vollendung der Bankenunion samt gemeinsamer Einlagensicherung und eine Weiterentwicklung des Euro-Rettungsfonds ESM. Zugleich gibt es Ideen für eine Fiskalunion oder Wege dorthin. Unlängst hatten hochrangige EU-Vertreter und -Institutionen Vorschläge für eine zentrale Fiskalkapazität vorgelegt. Beim EU-Gipfel im Juni steht das Thema erneut auf der Agenda.Während vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Druck in Richtung mehr Integration macht, gibt es nicht zuletzt in Deutschland starke Vorbehalte. Viele befürchten Fehlanreize für die Staaten und dauerhafte Transfers. Die neue große Koalition muss sich aber noch genau positionieren. Auch andere Nordstaaten sind äußerst skeptisch. Der IWF und Lagarde, der Interesse am 2019 frei werdenden Chefposten der EU-Kommission nachgesagt wird, stellen sich nun eher hinter Macron.Das Konzept des IWF sieht einen makroökonomischen Stabilisierungsfonds vor, der weitgehend von Jahresbeiträgen der Euro-Mitgliedsländer gespeist würde. Konkret ist die Rede von einem jährlichen Beitrag von 0,35 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für Deutschland entspräche das bei einem BIP von 3,26 Bill. Euro im Jahr 2017 einem Beitrag von rund 11,4 Mrd. Euro pro Jahr.Die Idee ist, dass in guten Zeiten Puffer aufgebaut würden, um dann in schlechten Zeiten einzelne Länder bei spezifischen Schocks mit Transfers zu unterstützen. Die Währungspolitik sei nicht in der Lage, solche länderspezifischen Schocks aufzufangen, so der IWF. Zudem würde mit dem Fonds bei allgemeinen Schocks “eine geeignete Mischung aus fiskalischer und geldpolitischer Unterstützung” möglich – vor allem dann, wenn die Geldpolitik an der Zinsuntergrenze angekommen sei und der fiskalische Spielraum einzelner Länder eingeschränkt sei.Die negativen Folgen von Schocks und die Gefahr unkontrollierter Verwerfungen ließen sich nach Einschätzung des IWF um mehr als 50 % reduzieren (siehe auch Grafik). Nach Vorstellung des IWF sollte der Fonds “bei außergewöhnlich großen und andauernden Schocks, die seine Mittel erschöpfen würden”, auch selbst Kredite aufnehmen können. Um die Haushaltsdisziplin zu sichern und Fehlanreize zu vermeiden, sollte der Fonds die strenge Einhaltung der fiskalischen Regeln verlangen. Diese sollten zugleich vereinfacht werden und die Durchsetzung automatischer erfolgen. Mögliche Überweisungen sollten “automatisch von einem transparenten Konjunkturindikator ausgelöst” werden. Der IWF schlägt vor, das sollte der Fall sein, wenn die Arbeitslosigkeit in einem Land über den Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre steigt. Zudem sollten aber “keine dauerhaften Transfers” erzeugt werden, so der IWF.Bundesbankpräsident Jens Weidmann brachte unterdessen gestern bei einer Rede in Wien erneut zentrale Bedenken aus Deutschland auf den Punkt. Er argumentierte, dass die nationale Politik genug Spielraum habe, um Schocks abzufedern, und für größere Probleme gebe es den ESM. Zudem sollten lieber private Formen der Risikoteilung weiterentwickelt werden. In keinem Fall dürften zudem “Altrisiken” vergemeinschaftet werden, so Weidmann.