IWF warnt vor Deflationstendenzen
Der IWF sorgt sich um die Verankerung der Inflationserwartungen. Hält die schwache Teuerung noch länger an, könnten die Menschen das Vertrauen in die Durchsetzungskraft der Notenbanken verlieren, mit dramatischen Folgen für die Geldpolitik insgesamt. Die Politik fordert er deshalb zu einer konzertierten Aktion auf, mit dem Ziel, auf stärker steigende Löhne und höhere Staatsausgaben hinzuwirken.lz Frankfurt – Die Gefahr, dass die entwickelten Volkswirtschaften in eine “Deflationsfalle” geraten, ist nach Meinung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zwar noch recht gering, die anhaltend niedrigen Inflationsraten machen ihm aber dennoch große Sorgen. In einem vorab veröffentlichten Artikel seines Weltwirtschaftsberichts fordert er die großen Industrieländer auf, ihre Bemühungen um mehr Inflation zu verstärken und sich diesbezüglich untereinander besser abzustimmen.Bleibt die Teuerung nämlich auf dem gegenwärtigen Niveau, orakeln die Ökonomen, mache sich die Geldpolitik unglaubwürdig und beraube sich ihrer Wirksamkeit. “Das Risiko, dass sinkende Inflationsraten zu Deflation oder anhaltend niedriger Inflation führen, hängt eng mit der Frage zusammen, ob einer Zentralbank zugetraut wird, die Inflation nach Abklingen der dämpfenden Effekte wieder an den Zielwert heranzuführen”, schreibt der IWF.In erster Linie führen die IWF-Ökonomen die anhaltend schwache Inflation auf die seit geraumer Zeit sinkenden bzw. bereits gesunkenen Rohstoffpreise zurück. Die schwache Konjunktur, die Druck auf die Löhne ausübt, wird ebenso genannt wie die günstiger gewordenen Handelsgüter. Letzteres liegt nach Meinung des IWF an den Überkapazitäten in China, die jetzt auf die Preise drückten.Der IWF vermutet, dass sich durch die anhaltend schwache Inflation die ökonomischen Rahmenbedingungen geändert haben, was die Notenbanken vor noch größere Probleme stellt, weil ihre Inflationsziele in immer weitere Ferne rücken. Die Verankerung der Inflationserwartungen, die Investoren und Konsumenten als Orientierungsgröße für ihr eigenes Verhalten dienen, habe sich bereits etwas gelockert.Eine leichte und nur temporäre Deflation stellt nach Meinung des IWF zunächst kein Problem dar. Hält die Entwicklung indes an, änderten Unternehmen und Haushalte ihr Verhalten und stellten in Erwartung künftig günstigerer Preise ihre Investitionen und ihren Konsum zurück. Das führe wiederum zu einer noch schwächeren Konjunktur und zu einer noch stärkeren Deflation.Erste diesbezügliche Erosionserscheinungen sind in der Eurozone seit 2014 festzustellen. Die “Empfindlichkeit” der Investoren und Konsumenten hinsichtlich der Preisentwicklung habe schon zugenommen, meint der IWF: Die aus Swapsätzen abgeleitete Inflationserwartung in fünf Jahren für die darauffolgenden fünf Jahre ist von über 2 % auf unter 1,5 % gefallen. Allenfalls die aus Umfragen abgeleiteten Erwartungen halten sich noch im Zielbereich. Selbst der Einsatz unkonventioneller Maßnahmen hat die Inflationserwartungen nicht wieder verankern können.Um eine weitere Erosion der Inflationsverankerung zu stoppen, sollten die Notenbanken nach Meinung des IWF die Geldpolitik weiter lockern und in der Kommunikation durchblicken lassen, die Teuerung zeitweise sogar über das Inflationsziel hinausschießen zu lassen. Die Politik wird aufgefordert, die Staatsausgaben zu erhöhen und eine explizite “Einkommenspolitik” mit Blick auf die Lohnentwicklung anzupeilen. Dies sollte international abgestimmt werden: “Koordinierte und gleichzeitige Maßnahmen in Industrieländern gegen schwache Nachfrage und Deflation und verstärkte Anstrengungen zum Abbau von Überkapazitäten wären wirksamer als rein nationale Vorhaben.”