Japan droht Rückfall in instabile Zeiten
Japan droht Rückfall in instabile Zeiten
Premier Ishiba will auf wechselnde Mehrheiten setzen − Regierungskoalition erleidet Wahlschlappe
mf Tokio
Trotz des Verlustes seiner Mehrheit bei der Parlamentswahl am Sonntag will Japans Premierminister Shigeru Ishiba erst einmal weitermachen und eine Minderheitsregierung bilden. Er wolle mit kleineren Parteien eine Einigung über einzelne Politikbereiche erzielen, statt seine bisherige Koalition aus Liberaldemokratischer Partei (LDP) und Komei-Partei zu erweitern. Naheliegende Partner wie die Japan-Innovationspartei und die „Demokratische Partei für das Volk" wollen der Koalition nicht beitreten.
Erster Mehrheitsverlust seit 2009
„Wir können uns eine politische Pattsituation nicht leisten“, erklärte der Regierungschef unter Verweis auf drängende Wirtschafts- und Sicherheitsfragen. Nach dem Wahlergebnis gab die japanische Währung kräftig nach, parallel zogen der Nikkei 225 um 1,8% und der Topix um 1,5% an. Die Regierungskoalition aus LDP und Komeito verlor ein Viertel ihrer Mandate und sicherte sich nur 215 Sitze, alle Oppositionsgruppen zusammen stellen dagegen nun 250 der 465 Abgeordneten.
Die LDP blieb zwar mit einem Vorsprung von 51 Sitzen die stärkste Partei vor der oppositionellen Konstitutionell-Demokratischen Partei (CDP) unter der neuen Führung von Ex-Premier Yoshihiko Noda. Aber die Partei, die Japan seit 69 Jahren fast ununterbrochen regierte, schaffte es erstmals seit 2009 nicht, aus eigener Kraft eine einfache Mehrheit zu erreichen. Eine große Koalition mit der LDP schloss CDP-Chef Noda aus. Zugleich ist die Opposition zu heterogen für ein eigenes Regierungsbündnis.
Ärger über Spendenskandal
Die Niederlage ist vor allem Folge eines Spendenskandals, in den zahlreiche LDP-Abgeordnete verwickelt waren. Viele Wähler waren auch unzufrieden mit den Kaufkraftverlusten der vergangenen zwei Jahre, als die Löhne mit dem plötzlichen Preisschub nicht mithielten. Ishiba hat nun 30 Tage Zeit, um genug Unterstützer für seine Wiederwahl als Premier im Parlament zu sammeln. Selbst wenn er dies schafft, droht ihm ein späteres Aus, da er sich neben der erstarkten Opposition auch mit Widersachern aus dem konservativen Teil der LDP auseinandersetzen muss. Bei der Neuwahl des Parteichefs Ende September setzte sich Ishiba nur knapp gegen Sanae Takaichi, die Kandidatin des rechten Flügels, durch.
Unterschiedliche Bewertungen
Damit droht Japan nun eine Ära mit instabilen Verhältnissen. „Das Wahlergebnis wird die internen Machtkämpfe und Rivalitäten innerhalb der LDP verschärfen und Fortschritte bei ökonomischen Reformen nahezu unmöglich machen", sagte der Japan-Aktienstratege Jesper Koll.
„Eine grundsätzliche Änderung von Japans Politik erwarten wir nicht", kommentierte dagegen Matthias Krieger von der Landesbank Baden-Württemberg. „Der Premier dürfte auch künftig Ishiba heißen." Allerdings dürfte ihm das Regieren „mehr Verhandlungsgeschick abfordern." Die Regierung Ishiba dürfte viele der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Vorgängerregierung unter Fumio Kishida fortführen, sagte auch Naoki Kamiyama, Chefstratege des Vermögensverwalters Nikko AM. „Aus Marktsicht sind die Unternehmensgewinne am Ende das, was zählt", so Kamiyama.
Zum ersten Mal seit 15 Jahren haben die Liberaldemokratische Partei und ihr Koalitionspartner Komeito ihre Parlamentsmehrheit verloren. Das weckt Zweifel an der Fortführung der Wirtschafts- und Finanzreformen, die einen starken Anstieg von ausländischen Investitionen in Aktien, Firmen und Immobilien ausgelöst haben.