Jeremy Corbyn fordert Neuwahlen
Labour-Chef Jeremy Corbyn fordert schnellstmöglich Neuwahlen, um den politischen Stillstand in Großbritannien zu beenden. An einem weiteren EU-Referendum hat er kein Interesse. Eine Verlängerung der Frist bis zum Austrittstermin sei dagegen eine Möglichkeit, um mehr Zeit für Verhandlungen zu schaffen.hip London – Labour-Chef Jeremy Corbyn hat Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt gefordert, um im Brexit-Prozess voranzukommen. “Wenn Sie so überzeugt von Ihrem Deal sind, rufen Sie Wahlen aus und lassen Sie die Menschen entscheiden”, wandte er sich an die britische Premierministerin Theresa May. “Eine Regierung, die ihre Vorhaben nicht durchs Unterhaus bekommt, ist überhaupt keine Regierung”, sagte der Oppositionsführer vor Labour-Anhängern in North Yorkshire. “Sie hat ihr Mandat verloren.” Deshalb müsse sie sich bei den Menschen ein neues verschaffen – durch Neuwahlen, die Corbyn einem erneuten Brexit-Referendum vorzieht, obwohl sich viele Mitglieder seiner Partei eine weitere Volksabstimmung wünschen würden. Nach einem Wahlsieg strebt die Partei eine Verschiebung des Austrittstermins an, um mit der EU einen aus ihrer Sicht besseren Deal auszuhandeln. Keir Starmer, der bei Labour für das Thema Brexit verantwortlich zeichnet, hatte bereits gesagt, dass es unvermeidlich sein könnte, den Austrittstermin nach hinten zu verlegen. Klare Vorstellungen dazu, wie ein besserer Deal aussehen könnte, gibt es nicht, außer dass Großbritannien “eine” Zollunion mit der EU und enge Beziehungen zum gemeinsamen Markt verfolgen sollte.Mit einem Versuch, May zu stürzen, ist seitens der Opposition offenbar nicht unmittelbar zu rechnen. Labour werde dann ein Misstrauensvotum gegen die Regierung anstrengen, wenn man die besten Chancen für einen Erfolg sehe, sagte Corbyn. “Labour hat offenkundig nicht genug Abgeordnete im Parlament, um ein Misstrauensvotum im Alleingang zu gewinnen”, sagte er. Er fordere deshalb Mitglieder aller Fraktionen auf, mit Labour zu stimmen. Hätte ein Misstrauensvotum Erfolg, bekäme die Regierung zwei Wochen Zeit, um die Unterstützung des Parlaments zurückzugewinnen. Bliebe sie dabei erfolglos, würden Neuwahlen fällig. Die nordirischen Unionisten von der DUP (Democratic Unionist Party) kündigten an, May bei einem Misstrauensvotum den Rücken zu stärken. Niederlage im AnflugSie lehnen jedoch den in Mays Namen ausgehandelten Austrittsvertrag ab, über den am kommenden Dienstag abgestimmt werden soll. Ohne die zehn Mandate der DUP hat May im Unterhaus keine Mehrheit. Zudem versagten ihr bei einem parteiinternen Misstrauensvotum 117 Abgeordnete die Unterstützung. Viele von ihnen stimmten gegen sie, weil sie ihren Deal mit Brüssel ablehnen. Viele dürften am Dienstag mit der Opposition stimmen, allerdings kündigten einzelne Brexit-Befürworter wie Trudy Harrison bereits an, den Austrittsvertrag nun doch zu unterstützen, wenn auch nur schweren Herzens.Nachdem die Regierung binnen 24 Stunden zwei Abstimmungsniederlagen im Unterhaus hinnehmen musste, ist man in der Downing Street um Schadensbegrenzung bemüht. Der Vorgabe, innerhalb von drei Sitzungstagen Grundzüge für einen Plan B vorlegen zu müssen, sollte der Austrittsvertrag niedergestimmt werden, begegnete die Regierung damit, dass sie dafür lediglich 90 Minuten Debatte ansetzte. Zudem soll nur ein Zusatz (Amendment) zugelassen werden. Dadurch wäre es den Brexit-Gegnern im Unterhaus nicht möglich, mögliche Handlungsalternativen wie “No Deal”, eine Verlängerung der Austrittsfrist, das Modell Norwegen oder gar die Rücknahme des Austrittsgesuchs nach Artikel 50 zur Abstimmung zu stellen und der Regierung auf diese Weise die Richtung vorzugeben. Bis zum 29. März müssen noch eine ganze Reihe von Brexit-Gesetzen vom Parlament abgesegnet werden. Sie alle könnten mit entsprechenden Zusätzen versehen werden. Voraussetzung wäre allerdings, dass man sich auf eine gemeinsame Richtung einigt.Der japanische Premierminister Shinzo Abe stellte sich derweil hinter May. Ihr Deal habe seine “totale Unterstützung”, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. “Die ganze Welt” wolle einen “No Deal”-Brexit vermeiden.