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Jeremy Hunt hat noch viel vor

hip - Jeremy Hunt (51) hat das von Boris Johnson geräumte Amt des britischen Außenministers übernommen. Den Ministerialbürokraten gilt er als unbeschriebenes Blatt. Anders als sein Vorgänger, der schon als Londoner Bürgermeister bei seinen...

Jeremy Hunt hat noch viel vor

hip – Jeremy Hunt (51) hat das von Boris Johnson geräumte Amt des britischen Außenministers übernommen. Den Ministerialbürokraten gilt er als unbeschriebenes Blatt. Anders als sein Vorgänger, der schon als Londoner Bürgermeister bei seinen Auslandsreisen kein Fettnäpfchen ausließ, bringt er kein belastendes Gepäck mit. Hunt gilt als treuer Parteisoldat mit Überlebensqualitäten, der das uneingeschränkte Vertrauen gleich zweier Premierminister genoss: David Cameron und Theresa May. Länger als er verblieb keiner seiner Vorgänger im Amt des Gesundheitsministers. Obwohl ein Ärztestreik für erhebliche Störungen im öffentlichen Gesundheitswesen sorgte, hielt er fünf Jahre und 300 Tage durch. “Goldilocks Tory”Der “Independent” beschreibt den Sohn eines ehemaligen Oberbefehlshabers der britischen Kriegsflotte als “Goldilocks Tory” – nicht zu europhil, aber auch nicht auf den Bruch mit Resteuropa fixiert. Tatsächlich stimmte der Oxford-Absolvent beim EU-Referendum vor zwei Jahren für “Remain”. Zuletzt sagte der Vater dreier Kinder jedoch, dass er, gäbe es eine zweite Chance, für “Leave” stimmen würde. Der von einigen Brexiteers erhobene Vorwurf, nun hätten die “Remainer” das Kabinett übernommen, ist also nicht ganz zutreffend. An einem Versuch, Theresa May zu stürzen, würde sich Hunt jedoch nie beteiligen. Er ist kein Mann für wütende Auseinandersetzungen. Wenn der Parteivorsitz aber zur Disposition stünde, ob nun wegen ihres freiwilligen Rücktritts oder nach einem erfolgreichen Putsch ihrer Gegner, würde er seinen Hut sicher ins Rennen werfen. Hunt war ein erfolgreicher Unternehmer, bevor er in die Politik ging. Im vergangenen Jahr wurde die von ihm mit einem Jugendfreund gegründete Hotcourses an die australische IDP Education verkauft, was ihm mehr als 14 Mill. Pfund einbrachte. Das Unternehmen, an dem Hunt zuletzt noch 48 % gehalten hatte, betreibt Websites, auf denen Studienanwärter für sie geeignete Angebote suchen können. Als ihn Cameron 2010 ins Kabinett seiner Koalitionsregierung mit den Liberaldemokraten holte, war er zunächst für Kultur, Medien und Sport zuständig – ein wichtiger Posten vor den Olympischen Spielen in London 2012. Der zuletzt als Kulturminister fungierende Matt Hancock wird nun sein Nachfolger als Gesundheitsminister. Seinen Posten übernimmt wiederum Jeremy Wright. Beide hatten sich für den Verbleib in der EU eingesetzt. Geoffrey Cox wird Generalstaatsanwalt. Der Jurist war reichlich in Dubai, Mauritius und auf den Kaimaninseln tätig, wo er unter anderem den ehemaligen Premier William McKeeva Bush gegen Korruptionsvorwürfe verteidigte.Mittlerweile wurde auch das Rücktrittsschreiben von Boris Johnson an Theresa May veröffentlicht. Es zeugt von der enormen Frustration, die sich bei der Führungsfigur von Vote Leave während seiner Zeit im Foreign Office aufgestaut haben muss. Beim Brexit sei es darum gegangen, Möglichkeiten wahrzunehmen und Hoffnung zu geben, heißt es in dem Brief. “Es sollte eine Chance sein, Dinge anders zu machen, flinker und dynamischer zu sein und die besonderen Vorteile von Großbritannien als offene, nach draußen orientierte Volkswirtschaft zu maximieren”, schreibt Johnson. “Dieser Traum liegt im Sterben, erstickt von unnötigen Selbstzweifeln.” Das Land bewege sich auf “den Status einer Kolonie” zu, und viele könnten Probleme damit bekommen, die politischen und wirtschaftlichen Vorteile des von May angestrebten Arrangements zu erkennen. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich bei seinem Schreiben nicht um einen Abschiedsbrief von der Politik handelt, sondern um eine Kampfansage.