LEITARTIKEL

Joberfolge kaschieren Probleme

Der deutsche Jobmotor läuft und läuft und läuft. Lob von allen Seiten gab es für den jüngsten Arbeitsmarktbericht, der mit einigen Rekorden aufwartete: Die 2,764 Millionen Jobsuchenden stehen für die geringste Dezember-Arbeitslosigkeit seit der...

Joberfolge kaschieren Probleme

Der deutsche Jobmotor läuft und läuft und läuft. Lob von allen Seiten gab es für den jüngsten Arbeitsmarktbericht, der mit einigen Rekorden aufwartete: Die 2,764 Millionen Jobsuchenden stehen für die geringste Dezember-Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung, die durchschnittliche Arbeitslosenzahl 2014 von 2,898 Millionen wurde nur 1991 unterboten und die Zahl der Erwerbstätigen erreichte 2014 mit 42,6 Millionen das achte Jahr in Folge ein neues Hoch. Mit 5,0 % weist Deutschland nach Österreich die zweitniedrigste Arbeitslosenquote im Euroraum im November auf. Und so erfolgreich soll es weitergehen: Die BA erwartet, dass die Arbeitslosenzahl 2015 auf 2,88 Millionen fällt. Angesichts dieser Zahlen mag man kaum glauben, dass die Wachstumsaussichten für Deutschland von Ökonomen als relativ mau eingeschätzt werden, die Euro-Krise weiter ungelöst ist und geopolitisch noch nicht alles wieder im Lot ist.Aber auch wenn die harten Daten es suggerieren, ist nicht alles eitel Sonnenschein. BA-Chef Frank-Jürgen Weise erwartet zwar vom Mindestlohn keine dramatischen negativen Effekte auf den Arbeitsmarkt, doch ist dies noch lange keine ausgemachte Sache. Die 8,50 Euro je Stunde sind erst seit 1. Januar 2015 zu zahlen. Für Branchen mit darunterliegenden Tarifabschlüssen gilt eine Übergangsfrist bis Ende 2016, Ausnahmen gibt es zudem etwa für Jugendliche und Langzeitarbeitslose. Ein Mindestlohn steigert zwar zunächst die Nachfrage wegen der steigenden Kaufkraft, aber vor allem im Niedriglohnsektor drohen Arbeitsplatzverluste – womit wiederum die Nachfrage sinkt. Vom Nullsummenspiel bis zur unüberwindbaren Hürde vor allem für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte ist im Ergebnis alles möglich. Ökonomen haben sich gegen den Mindestlohn ausgesprochen, da dieser ebenso wie die Rente mit 63 die Wettbewerbsfähigkeit verringert. Wird der Faktor Arbeit teurer und erfahrene Arbeitskräfte knapper, hat dies Auswirkungen auf Standort- und Investitionsentscheidungen. Und die deutschen Arbeitskosten sind im europäischen Vergleich schon recht hoch – bezogen auf 2013 lagen sie in der Industrie um 48 % über dem EU-Durchschnitt.Zudem profitieren die Langzeitarbeitslosen nicht vom hochgelobten Beschäftigungsaufbau. Die neu geschaffenen Stellen gingen laut BA vor allem an Rückkehrer aus der Elternzeit sowie gut qualifizierte Ausländer. Diese sind wiederum nötig, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dass es ohne Zuwanderung auf Dauer nicht geht, ist in der Unternehmenslandschaft unstrittig. Allerdings steht die Bevölkerung ihr zunehmend kritisch gegenüber, wie etwa die Wahlerfolge der AfD deutlich zeigen.Deutschland kann zwar stolz darauf sein, dass es sich auch dank der Hartz-Reformen – die sich nicht nur auf die Hartz IV genannte Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die vor zehn Jahren in Kraft trat, beschränken – vom kranken Mann Europas zur Konjunkturlokomotive hochgearbeitet hat und mit einer großen Flexibilität etwa via Kurzarbeit im Vergleich zu anderen Ländern ziemlich gut aus der Krise gekommen ist. Genauso schnell kann der Vorsprung aber auch wieder schwinden. Kein Grund also für die Politik, die Hände in den Schoß zu legen und sich aufs Krisenmanagement in Euroland zu konzentrieren – so wichtig es auch ist, die Länder des gemeinsamen Währungsraums wieder auf ein annähernd gleiches Niveau zu bringen. Denn nur dann kann letztlich auch die Nachfrage aus Euroland nach Produkten “made in Germany” wieder angekurbelt und dem hiesigen Arbeitsmarkt weiterer Schwung verliehen werden.Auch in Sachen Bildung liegt manches im Argen. Das duale System der Berufsausbildung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der wirtschaftlichen Stabilität, was gerade in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit das Interesse im Ausland weckt. Doch gibt es immer noch einiges zu verbessern, gerade angesichts der demografischen Entwicklung. Diese verlangt eine höhere Produktivität von den künftigen Erwerbstätigen und vor allem eine bessere Ausbildung hinsichtlich der digitalen Technik. Zudem wäre angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen genau jetzt der passende Zeitpunkt, um verstärkt die zunehmend marode Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. 10 Mrd. Euro jährlicher zusätzlicher Investitionsbedarf für Infrastruktur sind laut Studien nötig, um Wachstum, Innovationen und Wohlstand zu sichern. Ohne weitere Reformen – die sich alle Parteien ins Wahlprogramm geschrieben haben und die sie von anderen europäischen Regierungschefs einfordern – und stetige Investitionen droht der deutsche Jobmotor schon bald wieder ins Stottern zu geraten, wenn nicht gar ganz auszufallen.——–Von Alexandra BaudeDer deutsche Arbeitsmarkt hat das Jahr 2014 mit Rekordwerten bei einigen Kennzahlen beendet. Weitere Herausforderungen warten allerdings.——-