Jobmarkt stehen rauere Zeiten bevor

Frühbarometer deuten auf steigende Arbeitslosigkeit hin - Baugewerbe und Dienstleister stellen weiter ein

Jobmarkt stehen rauere Zeiten bevor

Das deutsche verarbeitende Gewerbe leidet immer stärker unter den globalen Handelskonflikten und weiteren politischen Unsicherheitsfaktoren – dies droht nun allmählich auf den Arbeitsmarkt überzuschwappen. Digitalisierung und die Umstellung auf die E-Mobilität sind weitere Herausforderungen.Von Alexandra Baude, FrankfurtDie Aussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt trüben sich zusehends ein, wie auch zwei gestern veröffentlichte Frühindikatoren belegen. Die Meldungen zahlreicher Großunternehmen aus den vergangenen Wochen, Jobs in großem Stil abzubauen, schüren ebenfalls die Sorgen um die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt. Eine Massenarbeitslosigkeit erwarten Experten dennoch nicht, da einige teils gegenläufige Faktoren aufeinandertreffen.So steht zwar derzeit das exportorientierte verarbeitende Gewerbe stark unter Druck, doch sind die Unternehmen mit Entlassungen noch zurückhaltend. Die Auftragsflaute wird hier oftmals mit Hilfe von Kurzarbeit abgefedert. Zu groß ist die Sorge, bei einer wiederbelebten Nachfrage ohne die nötigen Fachkräfte dazustehen. Detlef Scheele, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), sieht die Behörde derzeit gut vorbereitet, sollte kurzfristig die Zahl der Kurzarbeiter etwa wegen Auftragsflauten in der Autoindustrie in die Höhe schnellen, womit er aber aktuell nicht rechne, wie ihn die Nachrichtenagentur dpa-afx zitiert. Im schlechtesten Falle müsse ein Teil der Rücklage von 23,5 Mrd. Euro aufgelöst werden. “Denn Kurzarbeitergeld, mit dem ansonsten drohende Entlassungen verhindert werden, ist langfristig gesehen preiswerter und für Arbeitnehmer wie Unternehmen sinnvoller als die Zahlung von Arbeitslosengeld.” Anders als etwa zum Höhepunkt der Finanzkrise im Jahre 2009 sei die Zahl der Kurzarbeiter mit zuletzt 44 000 Personen nach wie vor auf “sehr niedrigem Niveau”. Scheele erwartet zwar einen leichten Anstieg der saisonbereinigten Erwerbslosigkeit – parallel dazu werde aber vor allem in konjunkturunabhängigen Dienstleistungsberufen die Zahl der Arbeitsplätze weiter steigen. Vor allem in Erziehungs- und Pflegeberufen, in der Logistik oder in Metallberufen sei der Bedarf immer noch sehr hoch. “Boomzeiten erst mal vorbei”Dies deckt sich mit den Ergebnissen des aktuellen Ifo-Beschäftigungsbarometers: Während erneut mehr Industrieunternehmen ihren Personalbestand tendenziell verkleinern wollen, sind im Bauhauptgewerbe und im Dienstleistungssektor weiterhin Neueinstellungen geplant – “bei den Dienstleistern jedoch weniger stark als zuletzt”, berichtet Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Die sich abkühlende Konjunktur schlage immer mehr auf den Arbeitsmarkt durch, die Boomzeiten seien erst einmal vorbei, so Wohlrabe. Das Ifo-Beschäftigungsbarometer ist im Juli um 0,4 auf 99,6 Punkte gefallen.Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) konstatiert, dass Vermittlungen in konjunkturabhängigen Bereichen wie der Zeitarbeit schwieriger würden. Die aktuellen Nachrichten über Stellenabbau bei Großkonzernen seien aber nicht repräsentativ für den Arbeitsmarkt. “Insgesamt lag die Entlassungsquote seit der Wiedervereinigung noch nie so niedrig wie heute”, erläutert IAB-Experte Enzo Weber zum aktuellen IAB-Arbeitsmarktbarometer. Dies sei auch der wesentliche Grund dafür, dass die Beschäftigung weiterhin steige. “Der Arbeitsmarkt bleibt auf Kurs, aber ganz spurlos wird der Konjunkturabschwung auch nicht an ihm vorbeigehen”, kommentierte Weber die neuesten Zahlen. So ist das IAB-Arbeitsmarktbarometer um 0,6 auf 101,6 Punkte und damit den tiefsten Stand seit dem Sommer 2013 gefallen. Zu dem Rückgang haben sowohl die Beschäftigungs- als auch die Arbeitslosigkeitskomponente beigetragen. Dass Letztere um 0,4 auf 98,1 Punkte gefallen ist, deute auf saisonbereinigt steigende Arbeitslosenzahlen in den kommenden Monaten hin.Für den Juli erwarten Ökonomen zwar einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 60 000 auf 2,276 Millionen Personen. Dies wäre ein kräftigeres Juli-Plus als im Schnitt der vergangenen drei Jahre. Im Vorjahr allerdings lag die Arbeitslosenzahl um knapp 50 000 höher. Saisonbereinigt prognostizieren Ökonomen einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 5 000 Personen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlicht den Arbeitsmarktbericht für Juli am morgigen Mittwoch. BA als BegleiterAls eine weitere Herausforderung für den Arbeitsmarkt gelten die Digitalisierung oder auch Branchenspezifisches wie die verstärkte Produktion von E-Autos. So hat die BA rund 1,1 Mrd. Euro in den Haushalt eingestellt, um Beschäftigte in den Betrieben fit für den Strukturwandel zu machen. Die BA wolle nicht nur im Fall der Arbeitslosigkeit Ansprechpartner sein, sondern Beschäftigte beraten und begleiten, “wenn sie unsicher sind, wie sich ihr Arbeitsplatz entwickelt”, so Scheele. Erste praktische Erfahrungen gebe es mit Modellprojekten bei einigen Großbetrieben wie etwa Conti. Dabei habe die BA einen Teil des Entgelts sowie die Schulungskosten übernommen.