Johnson stellt Wahlprogramm vor

Zuwanderungsgesetz mit Punktesystem - "Konstruktive Verhandlungen" in Brüssel bislang ohne Ergebnis

Johnson stellt Wahlprogramm vor

Der britische Premierminister Boris Johnson hat sein Wahlprogramm in Form einer Regierungserklärung vorgestellt. Königin Elizabeth II. verlas sie im Parlament – eine Zeremonie, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Die Brexit-Verhandlungen liefen unterdessen weiter – offenkundig ohne Durchbruch. hip/ahe London/Brüssel – Der britische Premierminister Boris Johnson hat sein Programm für die kommende Wahl in eine Regierungserklärung gegossen, die von Königin Elizabeth II. im Parlament verlesen wurde. In der “Queen’s Speech” von Theresa May war vor zwei Jahren noch die Rede davon, dem Land “den bestmöglichen Deal” für das Verlassen der EU zu sichern. Für Johnson hat dagegen “Priorität”, den Austritt zum 31. Oktober sicherzustellen. Sechs der 26 Gesetze, die von der Regierung angekündigt werden, waren bereits in Mays Regierungserklärung enthalten. Neu sind unter anderem ein Zuwanderungsgesetz, das den Weg für ein ähnliches Punktesystem wie in Australien frei machen soll, und ein Gesetz, das sicherstellen soll, dass Sexualstraftäter und Gewaltkriminelle nach Verbüßung der Hälfte ihrer Haftstrafe nicht automatisch auf freien Fuß gesetzt werden können.Sowohl Oppositionsführer Jeremy Corbyn als auch die Grünen-Chefin Caroline Lucas bezeichneten die Regierungserklärung als Farce. Vielleicht sei man ja nur noch Wochen von der ersten Regierungserklärung einer Labour-Regierung entfernt, orakelte Corbyn. Die Konservativen hätten dreieinhalb Jahre Zeit gehabt, den Brexit über die Bühne zu bringen, und dabei versagt. Der einzig legitime Weg, das Thema Brexit zum Abschluss zu bringen, sei, der Bevölkerung das letzte Wort zu geben. Einige seiner engsten Berater warnten ihn unterdessen, einem erneuten EU-Referendum noch vor einer Neuwahl zuzustimmen. Labour tief gespaltenLabour ist tief gespalten, was das weitere Vorgehen angeht. Für gewöhnlich haben die Abgeordneten des Unterhauses für die Debatte zur Regierungserklärung sechs Tage Zeit. Die Zustimmung des Parlaments ist in normalen Zeiten reine Formsache. Aber Johnsons Regierung hat im Unterhaus keine Mehrheit. Es wird allgemein damit gerechnet, dass die “Queen’s Speech” niedergestimmt wird. Das gab es zuletzt 1924. Eine solche Niederlage galt damals noch als klares Misstrauensvotum des Parlaments. Eine Neuwahl war die Folge. Der Fixed-term Parliaments Act von 2011 ermöglicht den Anti-Brexit-Parteien heute, eine Neuwahl auch dann zu vermeiden, wenn eine Mehrheit der Abgeordneten das Regierungsprogramm ablehnt. Corbyn signalisierte bereits, dass er erst dann ein Misstrauensvotum in die Wege leiten will, wenn die noch bis zum 31. Oktober laufende EU-Austrittsfrist verlängert worden ist. Johnson zeigte sich ebenso wenig bereit, sein Amt freiwillig niederzulegen.Ein Teil von Labour will Johnsons Deal – so bis Samstag eine Übereinkunft mit Brüssel dem Unterhaus vorgelegt wird – niederstimmen und dann ein Misstrauensvotum einleiten, um eine Übergangsregierung zu bestimmen, die eine Neuwahl ausruft. Einflussreiche Vertreter der Parteiführung wie John McDonnell, der im Falle eines Wahlsieges Schatzkanzler würde, und Corbyns Stellvertreter Tom Watson wollen dagegen zuerst eine weitere Volksabstimmung abhalten lassen.London und Brüssel hatten am Wochenende und auch gestern ihre Verhandlungen fortgesetzt. Details drangen nicht nach außen. Ein Durchbruch blieb offenkundig aus. Eine Sprecherin der EU-Kommission bezeichnete die Gespräche gestern noch einmal als “konstruktiv”, wiederholte allerdings auch, dass noch “eine Menge Arbeit” zu tun bleibe. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier will heute im Allgemeinen Rat die Mitgliedstaaten noch einmal über den Stand der Dinge informieren -auch mit Blick auf den EU-Gipfel, der am Donnerstagnachmittag in Brüssel beginnt. Der irische Außenminister Simon Coveney hofft weiter, dass es noch zu einer Brexit-Einigung mit Großbritannien kommen wird. “Ein Deal ist möglich. Er ist diesen Monat möglich oder sogar diese Woche”, sagte Coveney am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg. “Aber wir haben es noch nicht geschafft.”Der Außenhandel zwischen Deutschland und Großbritannien verliert unterdessen weiter an Schwung. Nach Daten von Januar bis Juli rutschte das Vereinigte Königreich mit einem Handelsumsatz (Exporte und Importe) von 68,5 Mrd. Euro auf Rang 7 der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte. 2018 lag Großbritannien noch auf dem sechsten Platz und 2015 – im Jahr vor dem EU-Referendum – sogar noch auf Rang 5.