Kabinett billigt Schutzschirm

Bis zu 356 Mrd. Euro Neuverschuldung - Wirtschaftsstabilisierungsfonds soll Firmenexistenzen sichern

Kabinett billigt Schutzschirm

Das Bundeskabinett hat finanzielle Hilfen in bislang nicht dagewesener Dimension gegen die Folgen der Corona-Pandemie beschlossen. Insgesamt wurden Kreditermächtigungen von 356 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Bundestag und Bundesrat wollen das Hilfspaket noch diese Woche im Eilverfahren beschließen. wf Berlin – “Der Nachtragshaushalt versetzt uns in die Lage, alles zügig und zielgerichtet umzusetzen, damit das Geld dort ankommt, wo es jetzt gebraucht wird”, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach der Kabinettssitzung in Berlin. Die Regierung billigte gleich ein ganzes Paket mit mehreren Gesetzentwürfen (siehe Kasten), die bis Freitag Bundestag und Bundesrat passiert haben sollen. Damit könnten sie zügig in Kraft treten. Aus dem Ressort von Scholz kommt der Nachtragshaushalt mit einer Kreditermächtigung von 156 Mrd. Euro für 2020. Vorgesehen sind in diesem Jahr zusätzliche Bundesausgaben von 122,5 Mrd. Euro, sagte Scholz vor der Presse in Berlin. Weitere Kredite finanzieren die erwarteten Steuerausfälle von 33,5 Mrd. Euro. Bislang sah der Etat für das laufende Jahr Ausgaben von 362 Mrd. Euro vor. Nach dem Vorbild Soffin Ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds soll größere Unternehmen schützen und Arbeitsplätze sichern. Der Bund greift Scholz zufolge auf den Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin zurück, der in der Finanzkrise 2008 geboren worden war. Auch der neue Stabilisierungsfonds soll Unternehmen helfen, die durch die Corona-Pandemie unverschuldet in Liquiditätsschwierigkeiten und in Insolvenzgefahr geraten. Die Hilfen zielen laut Entwurf auf Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten, mit einem Umsatzerlös von mehr als 50 Mill. Euro und einer Bilanzsumme von mehr als 43 Mrd. Euro. Mindestens zwei der drei Kriterien müssen erfüllt sein. Enormer Garantierahmen Dafür steht dem Gesetzentwurf zufolge ein Garantierahmen von 400 Mrd. Euro bereit. Dieser soll es den Unternehmen erleichtern, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Kreditermächtigungen des Fonds von 200 Mrd. Euro schrauben die Neuverschuldungsmöglichkeit des Bundes auf 356 Mrd. Euro hoch. Dafür muss der Bundestag wegen des Krisenfalls die Schuldenbremse aussetzen. Von der Kreditermächtigung des Fonds entfallen auf Maßnahmen zur Rekapitalisierung von Unternehmen 100 Mrd. Euro. Damit könnte der Bund auch Staatsbeteiligungen eingehen. Die weiteren 100 Mrd. Euro refinanzieren die KfW-Sonderprogramme zur Liquiditätssicherung. Der Bund wird seinen zusätzlichen Mittelbedarf über den Kapitalmarkt finanzieren. “Wir tun jetzt alles, um uns gegen die beispiellose Krise zu stemmen”, sagte Scholz.Größter belegter Einzelposten unter den Ausgaben im Nachtragshaushalt sind 50 Mrd. Euro für Soloselbständige, Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten und die freien Berufe. “Wir lassen niemanden allein”, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor der Presse in Berlin. Dieser Wirtschaftszweig umfasst Altmaier zufolge mit rund 10 Millionen Beschäftigten rund ein Viertel der Erwerbstätigen. Vorgesehen ist für Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten eine Einmalzahlung bis 9 000 Euro für drei Monate. Für dieselbe Zeit und Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten gibt es bis zu 15 000 Euro. Die Mittel sind zur Deckung laufender Kosten wie Mieten, Krediten für Betriebsräume, Leasingraten u. Ä., nicht aber zur Kompensation von Umsatzausfällen vorgesehen, machte Altmaier deutlich. Letzteres könne der Staat nicht leisten. Reduziert der Vermieter einer Firma die Miete um mindestens 20 %, kann der nicht ausgeschöpfte Zuschuss auch für zwei weitere Monate eingesetzt werden.Voraussetzung für die neuen Hilfen ist, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die Coronakrise eingetreten sind und sich das Unternehmen nicht schon vor März 2020 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat. Bei der Steuerveranlagung für die Einkommen- oder Körperschaftsteuer im nächsten Jahr wird dieser Zuschuss gewinnwirksam berücksichtigt werden. Grundsicherung erleichtert Zur Existenzsicherung und Deckung des Lebensunterhalts sind erleichterte Bedingungen für den Bezug von Grundsicherung vorgesehen. Scholz hat dafür sowie für die Kosten der Unterkunft und die Grundsicherung im Alter 7,7 Mrd. Euro im Nachtragshaushalt eingeplant. Das Bundesgesundheitsministerium erhält 3,5 Mrd. Euro für Schutzausrüstung, Impfstoffentwicklung, Hilfen für Deutsche und EU-Bürger im Ausland sowie zur Information der Bevölkerung. Für Schadensfälle bei Gewährleistungen und Garantien sorgt der Bund mit 5,9 Mrd. Euro vor. Allein 55 Mrd. Euro sind unspezifisch reserviert, um kurzfristig auf Entwicklungen in der Krise reagieren zu können.