Kabinett billigt Unternehmensstrafrecht
wf Berlin – Die Bundesregierung drückt bei der Einführung des Unternehmensstrafrechts aufs Tempo. Im Umlaufverfahren beschloss das Bundeskabinett einen Tag vor der regulären Kabinettssitzung den Regierungsentwurf eines “Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft” von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Die Stellungnahmefrist für Länder und Verbände zu dem vor rund zwei Monaten versandten Referentenentwurf war erst Ende vergangener Woche abgelaufen. Wirtschaft, Investoren und Aktionärsvertreter hatten in ihren Stellungnahmen vehement gegen die Novelle protestiert. Der nun vom Kabinett verabschiedete Regierungsentwurf enthält dem Bundesjustizministerium zufolge keine Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf vom April. “Schutz von Arbeitsplätzen” Das Gesetz diene dem Schutz vieler Arbeitsplätze, die durch Skandale gefährdet würden, dem Verbraucherschutz und dem fairen Wettbewerb, sagte Lambrecht in Berlin. Die übergroße Mehrheit der Unternehmen in Deutschland halte sich selbstverständlich an Recht und Gesetz. Wenige Kriminelle richteten aber großen Schaden an. “Wir sorgen mit dem Gesetz dafür, dass die ehrlichen Unternehmen nicht die Dummen sind”, so Lambrecht.Der Entwurf sieht im Kern vor, dass nicht mehr nur die handelnden Personen im Unternehmen strafrechtlich belangt werden können, sondern auch den Unternehmen selbst Strafen drohen. Dafür sind empfindliche Sanktionen vorgesehen, die für große Wirtschaftsunternehmen mit mehr als 100 Mill. Euro Umsatz bis zu 10 % der weltweiten Konzernerlöse betragen können. Für die kleineren Unternehmen soll es bei Sanktionen von höchstens 10 Mill. Euro bei vorsätzlichen und 5 Mill. Euro bei fahrlässig begangenen Straftaten bleiben. Zudem soll der Staat den erlangten Vorteil einziehen und damit Betroffene entschädigen können. Gerade bei massenhaft Betrogenen mit relativ geringem Schaden sieht Lambrecht darin verbesserte Verbraucherrechte. Weitere Punkte des Regierungsentwurfs beziehen sich auf den Rechtsrahmen für unternehmensinterne Untersuchungen, Klarstellungen zum Arbeits- und Dienstrecht bei der Befragung von Mitarbeitern sowie Regelungen zur Zulässigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen von Unternehmensunterlagen. Firmen, die mit der Staatsanwaltschaft kooperieren, können mit milderen Sanktionen rechnen. “Den Koalitionsvertrag setzen wir damit eins zu eins um”, sagte Lambrecht.Für die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) geht der Entwurf indessen weit über das Ziel im Koalitionsvertrag hinaus, Wirtschaftskriminalität angemessen zu verfolgen und wirksam zu ahnden. Die Definition der Verbandstat sei “uferlos”, schreibt die DK. Eine Reihe von Wirtschaftsverbänden, darunter die Arbeitgeber, die Industrie, die Familienunternehmen und die Kammern, lehnten den Entwurf rundweg ab. Gerade auch rechtstreue Unternehmen würden unangemessen belastet, so die Kritik. Die Rechtsanwender blieben im Unklaren, was genau von ihnen verlangt werde. Aktionärsschützer wie die DSW und die SdK lehnten es ab, die Eigentümer zur Kasse zu bitten. Die handelnden Personen stünden in der Pflicht. Auch die großen Investmentfondsgesellschaften setzen auf Regress gegen die verantwortlichen Organmitglieder.