KOALITIONSPOKER

Kampf ums Bundesfinanzministerium

Für die politische Zukunft der FDP birgt das Ressort auch ein großes Risiko

Kampf ums Bundesfinanzministerium

Von Angela Wefers, BerlinBundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss nach der Bundestagswahl nicht mehr um sein Amt bangen, nachdem die FDP in einer möglichen Jamaika-Regierung ein Auge auf das Finanzressort geworfen hat. Am 24. Oktober dürfte er zum Bundestagspräsidenten gewählt werden. Die Lücke füllt Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) in Personalunion, solange die alte Regierung noch die Geschäfte führt.Der Spitzenposten in der Wilhelmstraße 97 ist damit für die Koalitionsverhandlungen frei. Die FDP hatte bereits vor der Bundestagswahl Interesse am Bundesfinanzministerium signalisiert. Vor wenigen Tagen wurde ein Papier bekannt, nach dem die Liberalen und die Grünen vorsondiert haben, während sich CDU und CSU noch intern streiten und die SPD sich in der Opposition einrichtet. Beide Parteien dementierten Absprachen. Laut Protokoll zielt aber die FDP auf die Ressorts Finanzen Forschung und Justiz, während die Grünen es auf Auswärtiges, Entwicklungszusammenarbeit und Umwelt samt Bau abgesehen haben.Rein rechnerisch passt es. Bleibt es bei 14 Ministerien plus Kanzler und -amtschef, würden in einer Jamaika-Koalition FDP und Grüne je drei Ministerien führen und die CSU wegen des schlechten Wahlergebnisses nur zwei nach drei. Acht Posten blieben für die CDU – faktisch sechs veritable Minister, da Kanzlerin und Amtschef gesetzt sind. Nach dem bisherigen Verfahren hätte die FDP, nachdem die CDU das Kanzleramt besetzt hat, als nächstgrößerer Koalitionspartner das Zugriffsrecht. “Ich kann alles”Neue Äußerungen von Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zum Finanzministerposten – “Ich kann alles” – untermauern den Eindruck, wohin die FDP will. Der 65-jährige Volkswirt und Jurist ist neben seinem politischen Leben als Rechtsanwalt tätig. Während bislang spekuliert wurde, Parteichef Christian Lindner (38) wolle die Fraktion im Bundestag führen, taucht sein Name nun auch für die Spitze des Finanzressorts auf. Dies würde den Politologen zu einem der einflussreichsten Minister im Kabinett machen und er wäre eng in die Regierungsarbeit eingebunden. Frühes PostengeschacherEine alte Regel besagt, dass es klug ist, mit dem Postengeschacher erst am Ende der Koalitionsverhandlungen zu beginnen, wenn alle über die Inhalte einig sind. Klar ist aber auch, dass die FDP aus dem Desaster von 2013, als sie aus dem Bundestag flog, Lehren zieht. Die Analyse lautet, dass es ein Fehler gewesen sei, 2009 nicht nach dem Finanzressort zu greifen, um die versprochene Steuerreform durchzusetzen. Parteichef Guido Westerwelle wollte partout Außenminister werden. Finanzmann Hermann Otto Solms ging leer aus. Die FDP lieferte nicht. Die Kalkulation, mit dem Finanzministerium sei die politische Zukunft der Liberalen gesichert, kann aber auch grandios schiefgehen. Nur wenn ein FDP-Amtschef tatsächlich reüssiert, geht sie auf. Dies ist aber in einer Jamaika-Koalition keineswegs sicher.Die FDP hat mit “30 bis 40 Mrd. Euro” Steuerentlastung deutlich mehr gefordert, als alle anderen potenziellen Koalitionspartner trotz der Jahre steuerpolitischer Abstinenz bereit sind, zu geben. Nur der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU zieht da mit. Ein neuer Finanzminister wird auch an der schwarzen Null seines Vorgängers gemessen werden. Schäuble hatte nur 15 Mrd. Euro als mögliche Steuerentlastung ins Schaufenster gestellt. Risiken aus der Flüchtlingskrise, Infrastruktur- und Bildungsinvestitionen, wachsende Forderungen an Deutschland etwa in der Verteidigung oder dem Zusammenhalt von Europa, eine Zinswende oder ein irgendwann möglicher Konjunktureinbruch machen den Job des Finanzministers nicht zum Erfolgsgaranten.Ein weiteres großes Feld sind die geplanten Reformen in Europa. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist mit seinen Plänen in Vorlage gegangen. Wollen Deutschland und Frankreich das Zugpferd in Europa sein, wird es Kompromisse geben müssen. Sie werden den Liberalen nicht unbedingt schmecken, sofern sie in Richtung Transferunion weisen. Kämpfe mit dem Kanzleramt sind vorgezeichnet. Wer am längeren Hebel sitzt, ist klar.Mit knapp 2 000 Beschäftigten ist das Bundesfinanzministerium eines der größten Ressorts der Bundesregierung. Weder Lindner noch Kubicki haben bislang ein Ministerium geführt. Die Schuhe, die bereitstehen, sind groß.