Kanzler Scholz sendet beruhigende Botschaften
Von Angela Wefers, Berlin
Erst ganz zum Schluss konnte Olaf Scholz (SPD) etwas zu seiner Stimmungslage in diesen schwierigen Zeiten offenbaren. „Ich telefoniere gern mit ihr, aber ich bin jetzt auch gern Bundeskanzler“, sagte Scholz vor den Journalisten der Bundespressekonferenz auf die Frage, ob er seine Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU) vermisse. Es war der erste Auftritt von Scholz als Kanzler beim traditionellen Sommertermin in der Bundespressekonferenz. Schon 33-mal war er zuvor dort: als Finanzminister, als Bundesarbeitsminister, Hamburgs Erster Bürgermeister oder kommissarischer SPD-Vorsitzender.
Seine Amtszeit und die Ampel-Regierung hatte sich Scholz sicher anders vorgestellt, als er Anfang Dezember 2021 ins Kanzleramt einzog. Seit Februar kämpft die Ampel mit den Folgen des Krieges, den Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukraine führt. Das hohe Inflationsniveau hierzulande, mitverursacht durch explodierende Energiepreise, stellt die Ampel vor unerwartete Herausforderungen. Scholz kam zu den Journalisten mit einer klaren Botschaft: „Wir haben alle Chance, gut durch die schwere Zeit zu kommen“, sagte er an alle Bürger gewandt. „Wir werden euch nicht allein lassen.“ Dem aufkeimenden Streit in der Ampel-Koalition, ob Steuerentlastungen zum Ausgleich der kalten Progression in diesen Zeiten angeraten sind oder besser gezielte Hilfen für schwache Gruppen, setzte der Kanzler die Ankündigung entgegen, die Regierung bereite ein neues Gesamtpaket zur weiteren Entlastung vor. Dazu gehöre „definitiv auch, dass es steuerliche Entlastungen gibt“, konstatierte der Kanzler. Steuererhöhungen etwa bei beim Einkommensteuerspitzensatz oder durch eine Übergewinnsteuer für besonders profitable Unternehmen schloss er indessen aus. Das Paket werde finanzierbar sein, stellte Scholz mit Blick auf die Schuldenbremse in Aussicht, die 2023 wieder greifen soll. Mit zwei ersten Pakten entlastet die Ampel Bürger und Wirtschaft in diesem Jahr bereits um rund 30 Mrd. Euro.
Unmut über Steuerentlastung
Unmut hatte sich in der SPD und bei den Grünen gegen den gerade vorgelegten Gesetzesvorstoß von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geregt, die Steuerzahler im nächsten Jahr um rund 10 Mrd. Euro und von 2024 an jährlich um rund 17,5 Mrd. Euro über den Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer zu entlasten. Dabei wird die Besteuerung inflationsbedingter Lohnerhöhungen korrigiert. Durch den progressiven Steuertarif werden obere Einkommensgruppen stärker entlastet als untere. Vorsorge im Bundeshaushalt hat Lindner dafür getroffen.
„Das kann ja offensichtlich keine ganz falsche Idee sein“, sagte Scholz zu dem Vorhaben. In seiner Zeit als Bundesfinanzminister hatte er selbst diesen Ausgleich zweimal veranlasst und war dabei sogar weiter gegangen, als Lindner es nun plant. Zusätzliche Entlastungen visiert die Regierung mit dem neuen Bürgergeld und der Wohngeldreform an. Scholz nannte aber auch Rentner, Studierende und Geringverdiener, die von Steuerentlastungen nicht profitieren, oder Haushalte, bei denen es generell knapp sei, als Zielgruppen für die Entlastung. Einen Aufstand der Bevölkerung in Deutschland erwartet er trotz der hohen Energiepreise nicht. „Nein, ich glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen (…) kommen wird.“ Verhindern werde dies der Sozialstaat.
Energiesicherheit im Fokus
Auch bei einem weiteren Komplex sandte der Kanzler beruhigende Botschaften: zur Sicherheit der Energieversorgung. Dies ging nicht ohne einen Seitenhieb auf die Vorgängerregierung ab, der er und die SPD allerdings angehört hatten. „Wir arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab“, sagt Scholz mit Verweis auf alternative Energien. Die industrielle Modernisierung, die sich die Ampel vorgenommen habe, werde vorangetrieben, um Wohlstand und Unabhängigkeit zu sichern. „Das ist das zentrale gemeinsame Reformvorhaben dieser Regierung“, betonte Scholz. Der Ausbau von Windkraft und Stromnetzen sei rechtlich bereits abgesichert. „Wir werden dieses Tempo fortsetzen.“ Für den Umbau von Industrien wie Automobil, Stahl oder Chemie müsse die Regierung ein gutes Umfeld und große Mengen bezahlbarer Energie – Strom und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen – versprechen. Das tue sie.
Zur akuten Energielage für den bevorstehenden Winter zeigte sich der Kanzler zuversichtlich. Der Ersatz für die schleppenden Gaslieferungen aus Russland durch Flüssiggas werde zwar teurer: „Aber wir werden immer genug kriegen.“ Die Flüssiggasterminals in den deutschen Häfen seien wie geplant Anfang 2023 einsatzbereit und die Gasspeicher schon stärker gefüllt als im Vorjahr zu dieser Zeit. Scholz warb zudem für eine neue Pipeline von Portugal bis nach Mitteleuropa.
Auf verschiedene Fragen zum Cum-ex-Fall in Hamburg hielt Scholz den Anwürfen entgegen, es sei in zweieinhalb Jahren genauester Untersuchung keine Einflussnahme der Politik auf den – später nachgeforderten – Steuerverzicht gegenüber der Warburg-Bank festgestellt worden. Scholz wird am 19. August in Hamburg erneut im Untersuchungsausschuss Fragen beantworten. „Da freue ich mich schon drauf“, sagte der Kanzler.