Karlsruhe gibt Ceta-Abkommen unter Auflagen vorläufig frei

Eilanträge abgewiesen - Ausgang des Hauptverfahrens offen - Gabriel erleichtert

Karlsruhe gibt Ceta-Abkommen unter Auflagen vorläufig frei

ahe/lz/wf Frankfurt – Die Bundesregierung kann dem Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada zustimmen – allerdings unter Auflagen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies mehrere Eilanträge für einen sofortigen Stopp des Abkommens wegen möglicher Verstöße gegen das Grundgesetz ab. Über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden sagt das Urteil indes noch nichts. Es sei “nicht ausgeschlossen, dass Ceta verfassungswidrige Bestimmungen enthält”, orakelte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung der Entscheidung.Das Urteil verpflichtet die Bundesregierung nun, am 18. Oktober im EU-Ministerrat nur für eine vorläufige Anwendung derjenigen Teile des Abkommens zu stimmen, für die zweifellos die EU zuständig ist. Ausgenommen sein müssen alle Bereiche, die in die Kompetenz Deutschlands fallen. Dabei geht es etwa um das Investitionsschutzgericht und den Arbeitsschutz. Für die Entscheidungen für den durch die EU besetzten “Ceta-Ausschuss”, der das Abkommen fortentwickeln soll, müsse es eine “hinreichende demokratische Rückbindung” geben, also bei wesentlichen Fragen eine Befassung des Parlaments. Schließlich habe die Regierung “unverzüglich” zu erklären, dass die Regierung die vorläufige Ceta-Anwendung einseitig beenden dürfe, stellten die Richter fest. Diese Klarstellung galt einer der umstrittensten Fragen der mündlichen Verhandlung am Tag zuvor. Denn nicht nur den Klägern, auch den Richtern erschien keineswegs ausgemacht, wer bei “gemischten Abkommen” ein Kündigungsrecht hat: der einzelne Staat oder nur die EU als ganze Einheit?Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der Verhandlung am Mittwoch eindringlich vor einem Stopp von Ceta gewarnt und von einem gigantischen Schaden gesprochen hatte, zeigte sich zufrieden. “Ich glaube, dass wir mit allen guten Argumenten das Verfassungsgericht überzeugen konnten”, sagte der Vizekanzler in Berlin. “Wenn Europa schon mit Kanada nicht klarkäme, wäre das schon ein schwieriges Signal in die Welt.” Er kündigte zugleich an, die Auflagen des Gerichts unverzüglich umzusetzen.Im Eilverfahren hatten die Richter nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen. Dabei stuften sie die Risiken durch einen Stopp von Ceta als weit gravierender ein. Und zwar “weniger auf wirtschaftlichem als vielmehr auf politischem Gebiet”, wie Voßkuhle betonte. Eine deutsche Blockade würde nicht nur die Außenhandelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada beeinträchtigen. Auf dem Spiel stehe die internationale Verlässlichkeit Europas und Deutschlands. Damit kann das Ceta-Abkommen wie geplant am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden.”Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung diese Auflagen erfüllen will”, sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht, eine der Kläger. Daneben mobilisierten die Verbraucherorganisation Foodwatch sowie die Vereine Campact und Mehr Demokratie mehr als 125 000 Mitkläger gegen Ceta. Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode nannte das Urteil einen “Riesenerfolg”.—– Nebenstehender Kommentar- Schwerpunkt Seite 7