EUROPÄISCHER HAFTBEFEHL

Karlsruhe hat doch Biss

Konfrontationsentscheidung zum EuGH

Karlsruhe hat doch Biss

lz – Während im Hinblick auf die anstehende OMT-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) berechtigte Zweifel bestehen, dass die Richter auf direkten Konfrontationskurs zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen werden, hatte es in einer anderen Sache, dem Europäischen Haftbefehl, keine Rücksicht auf diese Institution genommen.Dies ist zwar vor allem dem speziellen Fall geschuldet, signalisiert aber zugleich, dass die Karlsruher Richter den Konflikt grundsätzlich nicht scheuen. Und es dokumentiert zugleich, dass sie nicht jener “zahnlose Tiger” sind, als der sie im Zusammenhang mit den Euro-Entscheidungen immer wieder gescholten wurden, weil sie in ihren Urteilen zwar “rote Linien” markierten, die Zeitläufe dann aber über sie hinweggehen.Im konkreten Fall ging es um die Auslieferung eines Amerikaners nach Italien. Dieser wurde dort 1992 in Abwesenheit zu einer 30-jährigen Haftstrafe verurteilt. 2014 wurde er in Deutschland festgenommen. Die Verfassungsrichter lehnten eine Auslieferung ab mit Hinweis auf die Verfassungsidentität, obgleich durch EU-Verträge eine entsprechende staatliche Verpflichtung besteht. Sie beriefen sich darauf, dass “eherne Prinzipien des Grundgesetzes” dem entgegenstünden, und verwiesen auf unzureichende Rechtsmittel in Italien. Dabei sehen die Bestimmungen zum Europäischen Haftbefehl keine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats vor.Das hatte der EuGH 2013 sogar explizit bestätigt, als er Bedenken eines spanischen Gerichts weggewischt hatte. Die spanischen Richter hatten angekündigt, unter gewissen Umständen eine Auslieferung verhindern zu wollen. Die Europarichter legten jedoch fest, dass die nationalen Gerichte “keine weiteren Ausnahmen auf Grundlage ihrer jeweiligen Rechtsordnung konstruieren” dürften. Darüber setzten sich die Karlsruher Richter dann im Januar 2016 hinweg.