Katalonien spielt auf Zeit

Uneinigkeit unter Separatisten nach Referendum - Bilder von Polizeigewalt heizen Stimmung an

Katalonien spielt auf Zeit

Die Separatisten in Katalonien fordern eine Verhandlung mit der spanischen Regierung unter Einbeziehung internationaler Vermittler, bevor sie die Unabhängigkeit von Spanien ausrufen wollen. Brüssel besteht darauf, dass der Konflikt eine innere Angelegenheit sei. Doch hagelte es Kritik am harten Polizeieinsatz bei dem verbotenen Referendum.ths Barcelona – Am Tag nach dem verbotenen Referendum in Katalonien feierten am Montag mehrere hundert Menschen auf der Plaça de Catalunya in Barcelona den Sieg des Ja für eine Abspaltung von Spanien. “Wir sind jetzt ein unabhängiges Volk”, proklamierte einer der Sprecher der Organisation. Das sehr harte Vorgehen der spanischen Polizei gegen die Teilnehmer der Abstimmung, bei dem es eine Vielzahl von Verletzten gab, hat die Stimmung weiter aufgeheizt. Für Dienstag wurde ein Generalstreik in Katalonien ausgerufen. Internationale VermittlerDoch die Separatisten spielten erst einmal auf Zeit. “Weder ich noch die Regierung sind dabei, die Unabhängigkeit auszurufen”, sagte der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont am Montag. Er forderte eine Verhandlung mit der spanischen Regierung unter Beteiligung internationaler Vermittler. Bei einer Absage würde das katalanische Parlament, in dem die separatistischen Parteien eine knappe Mehrheit haben, die Schritte zur einseitigen Verkündung der Unabhängigkeit einleiten. Puigdemont hält das Ergebnis des Referendums für ein ausreichendes Mandat. Mit mehr als zwei Millionen Stimmen lag die Wahlbeteiligung, laut der katalanischen Regierung, bei 42 %, wobei 90 % für die Abspaltung stimmten. Das spanische Verfassungsgericht hatte das Referendum für illegal erklärt und die Regierung in Madrid war entschlossen, die Abstimmung um jeden Preis zu verhindern.Unter den separatistischen Parteien gibt es jedoch offenbar Meinungsverschiedenheiten über das weitere Vorgehen. Während die konservative PDeCAT von Puigdemont auf Verhandlungen setzt, würden deren linke Partner lieber sofort die Abspaltung vollziehen. Sollte dies geschehen, ist zu erwarten, dass die spanische Regierung die Autonomierechte aussetzen wird. Die Folgen sind nach den Vorfällen vom Sonntag kaum abzuschätzen.Auch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy versucht, Zeit zu gewinnen. Er will erst am 10. Oktober im Parlament Stellung zu dem Konflikt beziehen. Rajoy bot den Separatisten aber schon einmal Gespräche an, allerdings im Rahmen der Verfassung – was die Forderung der Katalanen nach einem legalen Referendum ausschließt. Dafür wäre eine umfangreiche Verfassungsreform nötig.Noch kann der Konservative auf den Rückhalt der Opposition zählen. Der Chef der Sozialisten, Pedro Sánchez, hatte trotz heftiger Kritik am Polizeieinsatz der Regierung seine Loyalität versichert, diese aber zum Dialog mit den Separatisten aufgefordert. Doch der Druck auf den Oppositionsführer wächst. Die Linkspartei Podemos drängt die Sozialisten zu einem Misstrauensantrag gegen die Minderheitsregierung von Rajoy, der mit den Stimmen der Abgeordneten der katalanischen und baskischen Nationalisten Erfolg hätte. Die konservative baskische PNV zeigte sich ebenfalls sehr verärgert über das Vorgehen der Regierung in dem Konflikt und verweigert derzeit die notwendige Zustimmung zur Verabschiedung des Haushalts 2018.Die Bilder der Gewaltanwendung der Polizei gegen größtenteils friedliche Teilnehmer brachten Spanien im Ausland viel Kritik ein. Der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte, dass “Gewalt nie ein Instrument der Politik sein darf”, und verlangte einen Dialog zwischen den Seiten. Die Kommission unterstrich jedoch einmal mehr ihre Position, dass es sich um eine interne Angelegenheit Spaniens handele.Derweil nimmt die Nervosität an den Märkten und in der Wirtschaft zu, auch unter den vielen deutschen Unternehmen in der Region, darunter Großkonzerne wie BASF oder VW. “Die politische Instabilität gefährdet unmittelbar die wirtschaftliche Entwicklung”, erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Montag. Joachim Lang, der Hauptgeschäftsführer des BDI, sagte, “ein Bruch der Region mit dem spanischen Staat würde für beide Seiten tiefe Einschnitte bedeuten und zu Verunsicherungen in der stark exportorientierten Wirtschaft führen”.