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Kehraus im britischen Kabinett

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 25.7.2019 Boris Johnson hat den "Vote Leave"-Strategen Dominic Cummings (47) als Senior Adviser in seinen Amtssitz in 10 Downing Street geholt. Der radikale Kabinettsumbau, den der ehemalige Londoner...

Kehraus im britischen Kabinett

Von Andreas Hippin, LondonBoris Johnson hat den “Vote Leave”-Strategen Dominic Cummings (47) als Senior Adviser in seinen Amtssitz in 10 Downing Street geholt. Der radikale Kabinettsumbau, den der ehemalige Londoner Bürgermeister nach seinem Amtsantritt in Gang setzte, entsprach dem radikalen Ansatz, für den Cummings bekannt ist. Brexiteers, die Mays Austrittsvertrag unterstützten, mussten gehen, darunter Liam Fox, der als Staatssekretär für den internationalen Handel verantwortlich zeichnete.Verteidigungsministerin Penny Mordaunt, die im Rennen um die Führung Jeremy Hunt unterstützt hatte, wurde ebenso aus dem Kabinett entfernt wie Nordirlandminister James Brokenshire, obwohl der sich als eines der ersten Kabinettsmitglieder hinter Johnsons Kandidatur gestellt hatte. Zudem gab es zahlreiche Rücktritte von Ministern wie Schatzkanzler Philip Hammond, die ihrer Entlassung zuvorkommen wollten. Insgesamt ging mehr als die Hälfte. Außenminister Hunt, der gegen Johnson angetreten war und sich angeblich nicht mit einem kleineren Ministerium zufriedengeben wollte, trat ebenfalls zurück.Cummings hatte vor dem EU-Referendum 2016 auf die Macht der Daten gesetzt und in den sozialen Medien Millionen möglicher Unterstützer ausfindig gemacht, die normalerweise nicht wählen gehen und nicht auf dem Radar der Meinungsforscher auftauchen. Statt auf den Verstand der Wähler setzte er auf ihre Gefühle und bombardierte sie mit maßgeschneiderten Online-Botschaften. Der Sherlock-Darsteller Benedict Cumberbatch spielte das “böse Genie” beziehungsweise den “verrückten Professor”, wie ihn manche nannten, in einem Fernsehspiel des Senders Channel 4.Dem “Evening Standard” zufolge soll Cummings eine “Chief Executive Officer”-Rolle ausfüllen und Meetings für den frischgebackenen Premierminister organisieren. Damit ist Ärger vorprogrammiert. Denn Cummings hält nichts von den Euroskeptikern bei den Tories, die über Jahrzehnte erfolglos versuchten, den Austritt aus der EU zu erreichen. Und sie halten nichts von ihm. Johnson ist jedoch auf die Unterstützung der European Research Group angewiesen, in der sich die Brüssel-Gegner zusammengeschlossen haben.Cummings hatte sich nach dem Votum für den Brexit geweigert, einem Unterhausausschuss Rede und Antwort zu stehen, in dem es um den Einsatz von Fake News im Wahlkampf vor der Volksabstimmung ging. Ihm wurde deshalb Missachtung des Parlaments vorgeworfen.Johnson zog auch Eddie Lister (71) als Senior Adviser hinzu. “Steady Eddie” hatte ihm in der Londoner City Hall als Chief of Staff gedient und wesentlich dazu beigetragen, dass Johnson für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Lister gilt als Fixer, der schwierige Meetings über die Bühne bringen und Konflikte entschärfen kann.