IM INTERVIEW: JOACHIM WUERMELING

"Keine Abwertungswettläufe"

Der Bundesbankvorstand über Trumps Euro-Kritik, die lockere EZB-Politik und neue Währungsabkommen

"Keine Abwertungswettläufe"

US-Präsident Donald Trump und sein Team haben einen zu starken Dollar beklagt und Deutschland, Japan und China de facto der Währungsmanipulation bezichtigt. Das hat rund um den Globus Sorgen vor einem Währungskrieg geschürt.- Herr Wuermeling, die Debatte über Wettbewerbsverzerrungen durch den schwachen Euro hält an. US-Präsident Donald Trump und sein Team haben Deutschland vorgeworfen, mit einem unterbewerteten Euro die Handelspartner “auszubeuten”. Kanzlerin Angela Merkel hat den Vorwurf mit dem Hinweis gekontert, der Euro sei Sache der Europäischen Zentralbank (EZB). Steuert denn die EZB den Euro-Kurs bewusst nach unten?Der Wechselkurs des Euro ist keine eigenständige Zielgröße für die Geldpolitik des Eurosystems. Seit Beginn der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat das Eurosystem zu keiner Zeit am Devisenmarkt interveniert, um den Euro gegenüber dem Dollar zu stärken oder zu schwächen. Die letzten Devisenmarktinterventionen, damals bezogen auf den Yen, wurden bei den Turbulenzen nach der Atomkatastrophe in Fukushima vor sechs Jahren durchgeführt. Der aktuelle Euro-Dollar-Kursverlauf spiegelt vielmehr Einflussfaktoren wie die relative konjunkturelle Entwicklung und die Ausrichtung der Geldpolitik beiderseits des Atlantiks wider. Der Devisenkurs wird somit letztlich von der Einschätzung der Marktteilnehmer bestimmt. Auch Aussagen von Donald Trump haben übrigens zur Dollar-Aufwertung beigetragen.- Betreibt die EZB aber mit ihrer ultralockeren Geldpolitik nicht de facto eine Abwertungspolitik?Nein. Wie gesagt, für die EZB ist der Wechselkurs des Euro zu anderen Währungen kein eigenständiges Ziel. Primäres Ziel der Geldpolitik im Euroraum ist die Sicherung der Preisstabilität. Damit folgen wir dem internationalen Konsens der G 20 und der G 7, keinen Abwertungswettlauf zu beginnen. Das wurde erst vor knapp einem Jahr beim G 7-Gipfel in Ise-Shima klar bestätigt.- Aber die niedrig gehaltenen Zinsen führen doch zu einem geringeren Wert des Euro, weil Kapital in den Dollarraum wandert, wo die Rendite höher ist.Die expansive Geldpolitik des Eurosystems, die sie ansprechen, dient allein dem Ziel, mittelfristig eine Inflationsrate von unter, aber nahe 2 % zu erreichen. Und nur mit einer derzeit expansiven Ausrichtung können wir dieses Ziel erreichen. Richtig ist allerdings, dass damit Anreize einhergehen, die auch auf den Wechselkurs wirken. Aber dahinter stehen keine Wettbewerbsüberlegungen, sondern rein geldpolitische Motive.- Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, wenn Europa eine aktivere Währungspolitik betreiben würde?Nein, es ist doch gerade eine aktive Währungspolitik, die die Gefahr birgt, dass es zu Abwertungswettläufen kommt. Interventionen am Devisenmarkt beeinflussen grundsätzlich nicht nur den Wert der eigenen Währung, sondern immer auch den einer Partnerwährung. Insbesondere wenn sie nicht dazu dienen, einen fixen Wechselkurs zu verteidigen, erscheinen sie oftmals als willkürlich oder gar von merkantilistischen Motiven getrieben. Der EU-Ministerrat hat daher schon 1997 erklärt, dass Interventionen nur in außergewöhnlichen Situationen getätigt werden sollen.- 2000 und 2011 hat das Eurosystem aber schon einmal am Devisenmarkt interveniert.Im Jahr 2000 kam es vor dem Hintergrund zunehmender Besorgnis über die Abschwächung des erst im Vorjahr geschaffenen Euro im September zu einer international abgestimmten Intervention. Daran waren neben dem Eurosystem unter anderem auch die amerikanischen und die japanischen Währungsbehörden beteiligt. Im November 2000 setzte das Eurosystem dann nochmals mit unilateralen Interventionen nach. Die EZB hat damit in den Anfangsjahren ihre währungspolitische Handlungsfähigkeit demonstriert und somit Glaubwürdigkeit und Reputation gewonnen. Danach gab es lediglich im Jahr 2011 noch einmal Interventionen unter Beteiligung des Eurosystems, um den japanischen Yen im März vor einer weiteren krisenbedingten Aufwertung vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe von Fukushima zu bewahren. Devisenmarktinterventionen des Eurosystems sind also seit jeher große Ausnahmen und gründeten sich grundsätzlich nicht auf wettbewerbspolitischen Überlegungen. Vielmehr wurden sie jeweils im internationalen Konsens durchgeführt. Gegenwärtig – darüber dürfte weltweit Einigkeit herrschen – besteht keine solche Situation, zumal beim derzeitigen Kurs des Euro die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des gemeinsamen Währungsraums im Verhältnis zu ihrem langfristigen Durchschnitt als neutral einzuschätzen ist.- Droht aus Ihrer Sicht denn ein globaler Währungskrieg – oder hat er vielleicht schon begonnen?Von einem “globalen Währungskrieg” kann keine Rede sein. Ich setze darauf, dass es auch nicht dazu kommt. Denn ein Abwertungswettlauf hätte nur Verlierer. Alle daran beteiligten Volkswirtschaften müssten mit steigenden Inflationsraten rechnen, ohne dass sich ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig änderte. Ein Abwertungswettlauf birgt damit die Gefahr, dass der Preismechanismus, ein zentraler Bestandteil unseres marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems, außer Kraft gesetzt wird. Deshalb orientiert sich auch die Geldpolitik des Eurosystems ausschließlich am Ziel der Preisstabilität; Ähnliches gilt übrigens für die Geldpolitik der meisten anderen wichtigen Volkswirtschaften. Damit sind alle gut gefahren. So sehe ich derzeit niemanden, der daran etwas ändern will.- Einige Experten plädieren für eine neue Währungsvereinbarung, ähnlich dem Plaza- oder dem Louvre-Abkommen in den 1980er Jahren, um eine zu starke Aufwertung des Dollar zu verhindern, die nicht nur die USA, sondern etwa auch die Schwellenländer hart treffen würde. Hielten Sie das aktuell für sinnvoll?Nein. Interventionen sollten, wie gesagt, nur in außergewöhnlichen Situationen getätigt werden, etwa bei überraschenden, außerordentlich starken Wechselkursbewegungen, die die Konjunktur deutlich belasten können. In dieser Lage sind wir nicht. In der Aufwertung des Dollar kommt zum Ausdruck, dass die wirtschaftliche Erholung in den USA und damit auch die Abkehr von einer sehr expansiven Geldpolitik weiter fortgeschritten ist als anderswo. Außerdem stehen umfangreiche Fiskalimpulse und eine Deregulierungsoffensive im Raum, die die Erwartungen an das künftige US-Wachstum und steigende Zinsen zusätzlich beflügeln und Anlagen in Dollar attraktiver machen. Die Währungspolitik tut gut daran, sich solchen Wechselkursveränderungen nicht entgegenzustellen – zumal die nötigen Maßnahmen, um den Dollar zu schwächen, den jeweiligen geldpolitischen Kursen in den USA, dem Euroraum und Japan entgegenliefen und insofern neue Probleme schaffen könnten. Wichtiger wäre, die Ursachen für schwaches Trendwachstum in vielen Industrieländern durch wirtschaftliche Reformen entschlossener anzugehen und etwaige finanzielle Verwundbarkeiten mancher Schwellenländer abzubauen, um so die Attraktivität von Kapitalanlagen dort zu erhöhen.- Braucht es eine grundsätzliche Neuordnung des internationalen Währungssystems?Dazu sehe ich keinerlei Anlass. Der weltweite Konsens, auf ein “race to the bottom” bezüglich des Wertes der eigenen Währung zu verzichten, vermeidet Verzerrungen im internationalen Preisgefüge und liegt damit nicht zuletzt auch im Interesse der USA – vorausgesetzt, die Bereitschaft, sich dem Wettbewerb zu stellen, ist dort weiter vorhanden.—-Die Fragen stellte Mark Schrörs.