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Klimaverschmutzung in Davos

Börsen-Zeitung, 25.1.2020 So viel gegenseitiges Nichtverstehen herrschte wohl seit der babylonischen Sprachverwirrung vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren nicht mehr. Alle, die glauben, etwas zu sagen zu haben in der Welt von heute, waren nach...

Klimaverschmutzung in Davos

So viel gegenseitiges Nichtverstehen herrschte wohl seit der babylonischen Sprachverwirrung vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren nicht mehr. Alle, die glauben, etwas zu sagen zu haben in der Welt von heute, waren nach Davos gekommen, doch die wenigsten haben dieselbe Sprache gesprochen und sich gegenseitig verstanden. Das Problem: Die einen prominenten Redner wollten die anderen prominenten Redner auch gar nicht verstehen. Für US-Präsident Donald Trump war das World Economic Forum (WEF) in Davos wie alle Gipfel vorher eine wunderbare Bühne für Selbstinszenierung und Eigenlob – und Wahlkämpfer Trump wusste sie in seinem Sinne zu nutzen. Nicht anders die Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg, die in Davos in der ihr eigenen Tonalität wieder ihre Anklage inszenierte, ohne sich mit den Fortschritten oder auch Fehlentwicklungen der schließlich auch von ihr mit angestoßenen weltweiten Klimaschutzanstrengungen auseinanderzusetzen. Früher lernten Schüler in der Mittelstufe noch das Format der Erörterung, in dem ein Thema von allen Seiten betrachtet, diskutiert und erst am Ende bewertet wird. Offenkundig haben da Greta Thunberg und ihre Mitstreiter in der Schule schon gefehlt, sie kennen nur die vorgefertigte Meinung. Deren Vorwurf an die etablierten Politiker, Institutionen und Unternehmen, in einer von der Realität abgeschlossenen Blase zu leben, fällt auf sie selbst zurück. Bei aller Freude über das umwelt- und gesellschaftspolitische Engagement dieser jungen Menschen – ihre geistige Radikalität, die man auch Einfalt nennen kann, muss erschrecken. Denn sie ist Nährboden und vermeintliche Rechtfertigung für Radikalität und Konfrontation jenseits des rechtsstaatlichen Rahmens. Inszenierung der MedienOffener Meinungsaustausch, echter Dialog und die Bereitschaft, die Erkenntnisse und Sichtweisen der anderen nicht nur zu hören, sondern von ihnen zu lernen – das war vor 50 Jahren eine der Ideen hinter dem Weltwirtschaftsforum. Hinter verschlossenen Türen mag es das auch heute noch geben, doch auf offener Bühne geht es um die Show. Um TV-Minuten, Klickzahlen, Retweets und Likes. Wir Medien sind nicht ganz unschuldig an dieser Fehlentwicklung. In Zeiten, als Zeitungen und TV noch ihre Rolle als Gatekeeper der Informationsströme innehatten, inszenierten die Medien das WEF als Brainstorming der Besten aus Wirtschaft und Politik zu Themen der Zukunft.Als Gegenleistung durften sich die Journalisten vor Ort im Glanze der Prominenz sonnen und sich einbilden, den Gestaltern der (Wirtschafts-)Welt in den Gedanken gelesen und dem Weltgeschehen den Puls gefühlt zu haben. Selten war Selbsttäuschung so angenehm verpackt, mit Champagnerempfängen und Kaviarhäppchen in der heilen Schweizer Bergwelt. Redaktionen pilgerten in Mannschaftsstärke ins winterliche Graubünden, füllten Sendestunden und viele Zeitungsseiten mit Themen, die selten die Zeit bis zum nächsten alpinen Ringelpietz überdauerten. Der Publizist Gabor Steingart, einst als Chefredakteur des “Handelsblatts” selbst ein unermüdlicher Trommler fürs Davoser Wintercamp, hat das WEF in diesem Jahr treffend als “geschlossene Anstalt, in der die Teilnehmer das Selbstgespräch pflegen”, bezeichnet.Seit die Gatekeeperrolle der klassischen Medien verloren ging und Internet, Owned Media und Social Media ihnen auch die Deutungshoheit streitig machen, scheinen die Journalisten ihre alljährliche Exkursion in die Schweizer Alpen mit noch größerer Inbrunst sprich noch mehr Sendeminuten und Zeitungsseiten verteidigen zu wollen. Ja, immer noch kommen dort wichtige Politiker und Unternehmer dieser Welt zusammen, auch wieder mehr als 100 Milliardäre, wie die WEF-Veranstalter en passant zum Besten gaben. Und wer unter den Medienschaffenden inzwischen von moralischen Zweifeln an seiner faktischen PR-Arbeit für die Welt des Kapitalismus befallen sein sollte, findet mit Umweltaktivisten wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer das nötige Feigenblatt für die Live-Berichterstattung vom Weltwirtschaftszirkus. Und nicht zu vergessen: Selbst einen Veggietag gab es und Rabatte auf Bahntickets für Anreise. Leider kamen die meisten Manager dann doch lieber mit Flugzeug, Auto oder Privatjet und ließen sich vor Ort in den Shuttlebussen chauffieren. Sicher ist sicher. SAPs neuer Co-CEO Christian Klein wagte die Anreise im Wasserstoffauto. Ohne die von seinem Büro einen Tag lang geplante Tankstellenlogistik wäre er nie in Davos angekommen, meinte Klein anschließend ernüchtert.Den CO2-Fußabdruck des WEF in Davos will man lieber nicht wissen. Zur Beruhigung des schlechten Gewissens schließen sich immerhin selbst die USA der WEF-Initiative zum Pflanzen von einer Billion Bäumen bis zum Jahr 2030 an. Pünktlich zum Abschluss des klimabewegten WEF haben Forscher des britischen Wetterdienstes eine Studie präsentiert, wonach sie einen dramatischen Anstieg der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre erwarten. Die Wissenschaftler rechnen mit einem Plus von 10 %, was einer der stärksten Zuwächse seit Beginn der Messungen vor 60 Jahren wäre und immerhin zu einem Fünftel auf den CO2-Ausstoß durch die Feuer in Australien zurückgeführt wird. Trump, Thunberg & Co.Vor diesem Hintergrund muten Debatten um CO2-Fahrverbote in einigen Städten geradezu lächerlich an. So viele Bäume kann man gar nicht pflanzen, wie nötig wären, um die “natürliche” Umweltbelastung durch die australischen Feuer kompensieren zu können. Aber vieles spricht dafür, dass auch die zunehmenden Waldbrände vom Klimawandel befeuert werden. Deshalb wäre die Erkenntnis nach diesem WEF in Davos, dass wir es uns nicht länger leisten können, beim Thema Klimaschutz übereinander statt miteinander zu reden. Dass Gipfel mit Trump, Thunberg und ähnlichen dialogunfähigen Persönlichkeiten Zeitverschwendung und Klimaverschmutzung sind – in diesem Fall des politischen Klimas. – c.doering@boersen-zeitung.de——-Von Claus DöringDas Weltwirtschaftsforum in Davos hat gezeigt: Wir können es uns nicht länger leisten, übereinander statt miteinander zu reden. ——