IM INTERVIEW: ISABEL SCHNABEL

"Klimawende benötigt sehr große Investitionen"

Wirtschaftsweise für risikoadäquate Regulierung

"Klimawende benötigt sehr große Investitionen"

Frau Professor Schnabel, der Sachverständigenrat hat sich mit ökonomischen Wegen im Kampf gegen den Klimawandel befasst. Welche Rolle kann die Finanzmarktpolitik spielen?Wir haben im Gutachten hierzu zwei wichtige Themen diskutiert. Das eine sind die Finanzstabilitätsrisiken aus dem Klimawandel und der Klimapolitik. Das zweite ist die Frage, inwiefern Green Finance den Klimawandel unterstützen kann. Also kann Green Finance als Instrument den Klimawandel bremsen?Im Gutachten diskutieren wir vor allem, wie eine CO2-Bepreisung implementiert werden kann. Durch einen einheitlichen CO2-Preis sollen zum einen die Akteure ihr Verhalten anpassen und weniger klimaschädliche Gase emittieren, zum anderen sollen Anreize gesetzt werden, in neue Technologien zu investieren. Das reicht aber nicht. Über die CO2-Bepreisung hinaus brauchen wir gezielte Maßnahmen, die klimafreundliche Innovationen und Investitionen befördern. Dabei ist klar: Für die Klimawende benötigen wir sehr große Investitionen. Die Finanzierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Staat könnte die Investitionen über zusätzliche Mittel unterstützen. Wie lässt sich dies am besten umsetzen?Deutschland allein kann am Klimawandel nichts ändern, es trägt gerade einmal 2 % zu den globalen CO2-Emissionen bei – Tendenz abnehmend. Europa kommt auf rund 10 %. Daher benötigen wir ein globales oder zumindest europäisches Vorgehen. Interessant könnte es daher sein, neue Fördertöpfe für klimafreundliche Investitionen auf europäischer Ebene zu schaffen, den Zugang dazu aber an Bedingungen zu knüpfen. Beispielsweise müsste der Mitgliedstaat sich verpflichten, selbst ein System einer umfassenden CO2-Bepreisung einzurichten. Die Investitionen sollte also eher durch staatliche Förderpolitik und nicht durch klimafreundliche Anlageentscheidungen des privaten Sektors beflügelt werden?Das ist ja nur die andere Seite der Medaille. Die großen Förderbanken wie die Europäische Investitionsbank EIB und die KfW finanzieren sich ja bereits in erheblichem Maße über Green Bonds. Diese Wertpapiere können dann von Anlegern gekauft werden, die in klimafreundliche Projekte investieren wollen. Bund, Länder und Gemeinden könnten ebenfalls grüne Anleihen emittieren, die dann für Investoren attraktiv wären, wie den norwegischen Staatsfonds, die überwiegend klimafreundlich investieren. Die Rendite von Green Bonds ist geringer als bei herkömmlichen Papieren. Braucht der Anleger eine moralische Haltung?Der Unterschied besteht, aber er ist gering. Auf jeden Fall scheint es eine Zahlungsbereitschaft für grüne Anlagen zu geben. Es gibt aber noch viel tun, um den Anlegern die Gewissheit zu geben, dass die Anlagen tatsächlich nachhaltig sind. Daher ist es zu begrüßen, dass in der EU an verlässlicheren Klassifikationssystemen gearbeitet wird. Stichwort Finanzstabilität: Die Geschäftsbanken hoffen schon auf Kapitalerleichterungen für klimafreundliche Finanzierungen. Zu Recht?Ich halte es für abwegig, klimafreundliche Investitionen in der Bankenregulierung zu begünstigen. Das wäre ein Fehler. Denn grüne Projekte haben ja auch Risiken. In der Regulierung müssen die Risiken adäquat abgebildet werden. Deshalb rate ich strikt von Regulierungserleichterungen ab. Banken haben auch Klimarisiken in den Büchern. Was folgt daraus?Die Aufsicht muss prüfen, inwiefern die Stabilität des Finanzsektors durch Klimarisiken bedroht ist. Extreme Wetterereignisse haben schon heute massiven Einfluss auf Banken, beispielsweise in den USA. Daneben stellt sich die Frage, was mit Anlagen im fossilen Bereich geschieht, wenn die Politik Ernst macht und es zur Abkehr von fossilen Energieträgern kommt. Der Preis dieser Vermögensgegenstände könnte deutlich fallen. Kann sich das Finanzsystem darauf vorbereiten?Die Auswirkungen hängen sehr stark von der Geschwindigkeit der Entwicklung ab. Bei einer allmählichen Änderung kann sich das Finanzsystem besser darauf einstellen als bei einem abrupten Kurswechsel. Wenn die Politik etwa 2028 plötzlich auf die Bremse treten würde, weil die Klimaziele nicht erreicht werden, könnte das Finanzsystem massiv gestört werden. Deshalb brauchen wir jetzt verlässliche Pfade für die Entwicklung. Wie müssten fossile Risiken in der Regulierung abgebildet werden?Im fossilen Bereich werden die Risiken tendenziell höher. Wir benötigen also keine Kapitalabschläge für grüne Investitionen, sondern eher Kapitalzuschläge für Investitionen im fossilen Bereich. Sinnvoll wäre es, Klimarisiken in die Stresstestszenarien einzubauen. Das Interview führte Angela Wefers.