KOMMENTAR

Kollateralschäden mit Kalkül

Es ist bezeichnend, wie die EU-Kommission auf die jüngste Zollansage aus Washington reagiert hat. Die US-Regierung rückt kein My von den Strafabgaben für Airbus und viele andere, am Subventionsstreit zwischen der EU und den USA unbeteiligte Firmen...

Kollateralschäden mit Kalkül

Es ist bezeichnend, wie die EU-Kommission auf die jüngste Zollansage aus Washington reagiert hat. Die US-Regierung rückt kein My von den Strafabgaben für Airbus und viele andere, am Subventionsstreit zwischen der EU und den USA unbeteiligte Firmen ab und lässt damit die jüngsten Zugeständnisse von Airbus zur Beilegung des Konflikts kühl ins Leere laufen. Aus der Airbus-Zentrale in Toulouse dringt Ernüchterung, aus anderen Branchen kommen Wehklagen, es treffe die Falschen. In Brüssel aber macht man sich gar nicht mehr die Mühe, Bedauern oder gar Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr zeigt sich die EU-Kommission erleichtert, dass die US-Regierung die Lage nicht weiter eskaliert hat.Brüssels Resignation ist ein weiterer Beleg, dass eine gütliche Einigung im Streit über Exporthilfen für Airbus und Boeing so weit entfernt ist wie die beiden Flugzeugbauer angesichts der Coronakrise vom Alltagsgeschäft. Die USA sind in einer komfortablen Position: Die Strafzölle sind von der Welthandelsorganisation (WTO) gebilligt, während Brüssel seit Monaten ungeduldig auf die Ermächtigung für eigene Gegenzölle wartet. Dass Brüssel nur darauf lauert, mit Milliardensanktionen zurückschlagen zu dürfen, hat Handelskommissar Phil Hogan hinlänglich klargestellt.Auch wird die EU, sobald es so weit ist, nicht vor Kollateralschäden für unbeteiligte US-Firmen zurückschrecken. Dieses Muster hat Kalkül auf beiden Seiten: Die USA setzen mit der nun zu beobachtenden Rotation von Strafzöllen auf maximale Unsicherheit quer durch die europäische Wirtschaft. Dieses latente Drohszenario richtet mindestens so viel Schaden an wie die Zölle selbst. Denn Exporteure kappen aus Furcht vor Zöllen präventiv Geschäftsbeziehungen. Das zeigen Studien.Brüssel wiederum dürfte beim angekündigten Gegenschlag neben Boeing auf amerikanische Kohleproduzenten, Landwirte und Fischereibetriebe zielen: Klientel, auf deren Unterstützung US-Präsident Donald Trump für seine Wiederwahl im November angewiesen ist. Die EU betont, bloß gleichziehen zu wollen. De facto riskiert sie einen Stich ins Wespennest: Trump wird mit einer weiteren Eskalation in diesem Fall nicht zögern, um Stärke zu demonstrieren. Auch für die deutschen Autobauer könnte es noch ungemütlich werden.