WTO

Kompromiss im Streit über Impfstoffpatente

Lange hat sich die EU gegen eine Lockerung des Patentschutzes für Covid-19-Impstoffe gesperrt. Nun scheint eine Einigung mit Indien, Südafrika und den USA nahe. Die Unternehmen sind schon weiter.

Kompromiss im Streit über Impfstoffpatente

rec/swa Frankfurt

Nach bald anderthalb Jahren zäher Verhandlungen über eine befristete Freigabe von Impfstoffpatenten zeichnet sich ein Kompromiss ab. Indien und Südafrika, die sich federführend für eine Lockerung des Patentschutzes von Impfstoffen gegen das Coronavirus einsetzen, haben offenbar eine grundsätzliche Einigung mit der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten erzielt. Entsprechende Medienberichte bestätigte die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala. Sie sprach von einem Durchbruch, schränkte aber ein, man sei noch nicht am Ziel.

Unter dem Dach der WTO in Genf verhandeln Unterhändler der 164 Mitgliedstaaten seit November 2020 über einen umstrittenen Vorstoß, den Indien und Südafrika im Oktober 2020 lanciert haben. Für eine global gerechtere Verteilung von Corona-Impfstoffen fordern sie, den Patentschutz für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung sperrten sich, anders als die US-Regierung, lange dagegen. Nun scheint eine Einigung gefunden. Dieser müssen allerdings sämtliche 164 WTO-Mitglieder zustimmen.

„Dies ist ein großer Schritt nach vorn, und dieser Kompromiss ist das Ergebnis vieler langer und schwieriger Stunden der Verhandlungen“, ließ WTO-Chefin Okonjo-Iweala sich in einer Mitteilung der Genfer Organisation zitieren. „Aber wir sind noch nicht am Ziel. Wir haben noch mehr zu tun, um sicherzustellen, dass wir die Unterstützung sämtlicher WTO-Mitglieder haben.“ Der Sprecher der UN-Handelsbeauftragten Katherine Tai schrieb auf der Webseite ihres Büros: „Der schwierige und langwierige Prozess hat zu einem Kompromiss geführt, der den vielversprechendsten Weg zu einem konkreten und sinnvollen Ergebnis darstellt.“ Die EU-Kommission teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit, dass noch Abstimmungen zwischen den EU-Ländern liefen.

Auch internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) hatten sich zwischenzeitlich in die Debatte eingeschaltet und suchten zusammen mit der WTO das Gespräch mit großen Impfstoffentwicklern. Der US-Konzern Moderna hatte unlängst angekündigt, in 92 Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen nun auch dauerhaft und nicht mehr befristet auf den Patentschutz seines Corona-Impfstoffes verzichten zu wollen. Voraussetzung sei, dass diese Impfstoffe ausschließlich zur Verwendung in diesen Ländern hergestellt werden. Es handelt sich um Länder, in denen die Impfallianz Gavi das Covax-Programm durchführt – eine Initiative, die einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen durchsetzen will. Moderna verzichte auch auf Lizenzeinnahmen. Das Unternehmen will zudem mRNA-Impfstoffe in Kenia produzieren, abfüllen und verpacken.

Der deutsche Corona-Impfstoffpionier Biontech ist ebenfalls dabei, in verschiedenen afrikanischen Ländern Impfstoff-Kapazitäten aufzubauen. Biontech will schlüsselfertige, in Containern steckende mRNA-Produktionsanlagen liefern.

Details noch zu klären

Übereinstimmenden Berichten zufolge sieht der nun gefundene Kompromiss vor, die Freigabe der Patente zeitlich zu befristen und auf Länder zu beschränken, die be­stimmte Kriterien erfüllen. Die Freigabe soll demnach nur für Entwicklungsländer gelten, die 2021 maximal 10% ihrer Impfdosen exportiert haben. Dortige Impfstoffproduzenten dürften dann patentierte Teile, Inhaltsstoffe und Verfahren, die für Herstellung und Lieferung von Covid-19-Impfstoffen erforderlich sind, verwenden, ohne die Zustimmung der Patentinhaber einholen zu müssen. Einige Details sind aber wohl noch offen. Dazu zählt der Nachrichtenagentur Reuters zufolge die Frage, ob die Patentfreigabe für drei oder fünf Jahre gelten soll.