Konjunkturausblick immer trüber
Die Handelsstreitigkeiten der USA vor allem mit China, aber auch mit der Europäischen Union trüben das konjunkturelle Bild weltweit ein. Dies trifft die sehr exportlastige deutsche Volkswirtschaft in besonderem Maße. Die Prognosen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem und dem nächsten Jahr werden reihenweise nach unten revidiert, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des schwachen zweiten und dritten Quartals 2019.Von Reinhard Kuls, FrankfurtDie Voraussagen für das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands trüben sich zusehends ein. Eine Revisionsrunde löst die nächste ab – die Korrekturrichtung ist aber immer die gleiche: nach unten. Für das laufende Jahr beträgt die Medianprognose von Bankenvolkswirten, internationalen Institutionen und Forschungseinrichtungen nur noch 0,6 %, wie das aktuelle Konjunkturtableau von Börsen-Zeitung und Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt. Im Vormonat waren es noch 0,7 %. Zu Beginn dieses Jahres hatten die Vorhersagen sogar noch bei 1,3 % gelegen.Auch die Prognosen für das kommende Jahr wurden weiter nach unten gesetzt. Die Medianprognose lautet nun auf 0,8 %. Zum Vergleich: Im Vormonat hatte sie noch 1,2 % und zu Jahresbeginn sogar 1,6 % betragen.Die enttäuschenden Wachstumszahlen für das zweite Quartal dürften diesen Abwärtstrend der Prognosen weiter angetrieben haben, zeigt sich Michael Schröder, Senior Researcher Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement beim ZEW, überzeugt. “Der Rückgang des realen deutschen BIP um 0,1 % relativ zum Vorquartal lässt außerdem die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ab dem dritten Quartal steigen”, befürchtet der ZEW-Experte.Bei der Betrachtung der Wachstumsfaktoren fällt Schröder zufolge auf, dass sich vor allem die Einschätzungen für die weitere Entwicklung der deutschen Exporte sehr stark eingetrübt haben. Für 2019 beträgt die prognostizierte Veränderungsrate der Ausfuhren aktuell plus 1,2 %, im Vormonat war noch ein fast doppelt so hoher Anstieg um 2,1 % vorhergesagt worden. Für 2020 wurden die Exportprognosen von 2,6 % (im Vormonat) auf nunmehr lediglich noch 1,9 % Zuwachs reduziert. Die vermuteten weiteren Wachstumsabschwächungen in Europa, China und den USA dürften sich aufgrund der starken Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft besonders negativ auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland auswirken, konstatiert der ZEW-Volkswirt. Ohnehin wächst die Angst vor einer Rezession in der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA (vgl. gesonderten Artikel auf dieser Seite und BZ vom 3. September).Für das gesamte Eurogebiet blieben die vom ZEW zusammengetragenen BIP-Prognosen für 2019 mit einem Median von 1,1 % unverändert zum Vormonat, für 2020 wurde die Prognose jedoch von 1,25 % (im Vormonat) auf jetzt noch 1,1 % verringert.Die deutsche Wirtschaft wird, wie Schröder herausstreicht, entsprechend den aktuellen Prognosen gegenüber dem Durchschnitt des Eurogebiets noch weiter zurückfallen. Für 2019 beträgt der Abstand der Prognosen zum Durchschnitt des Eurogebiets nun minus 0,5 Prozentpunkte für 2019 und minus 0,3 Prozentpunkte für das Jahr 2020. Menetekel ZinsstrukturSowohl für den Euroraum als auch für die Vereinigten Staaten hat sich der Ausblick für die nächsten 12 bis 18 Monate – gemessen an der Steigung der Zinsstrukturkurve – weiter verschlechtert. Die Steigung der Zinsstrukturkurve (Rendite 10-jähriger Anleihen minus Drei-Monats-Zins) beträgt für das Eurogebiet aktuell minus 26 Basispunkte, ein Rückgang um 9 Basispunkte zum Vormonat. Für die Vereinigten Staaten ist dieser Wachstumsindikator von minus 45 Basispunkten im Vormonat auf jetzt minus 63 Basispunkte gefallen. Die Anleihemärkte erwarten gegenwärtig damit sogar eine Wachstumsschwäche über das Jahr 2020 hinaus. Eine solche inverse Zinsstruktur, wenn also kurzfristige Schuldverschreibungen mehr abwerfen als langfristige, gilt als einer der sichersten Indikatoren für eine bevorstehende Rezession.Die sich allein schon durch die anhaltenden globalen Handelsstreitigkeiten eintrübenden Konjunkturaussichten lassen die Sorgenfalten in den Notenbanken der Welt noch tiefer werden. Nicht zuletzt in der Europäischen Zentralbank (EZB) werden zum Teil weitreichende Forderungen nach noch stärkerer geldpolitischer Stützung des Wachstums gestellt, sei es in Form von Zinssenkungen, sei es in Form von Stützungskäufen an den Anleihemärkten. In gut einer Woche wird es auf einer zentralen EZB-Ratssitzung über den weiteren Kurs der Notenbank gehen. Jüngst haben sich in der bereits angelaufenen Debatte über die ja schon recht expansiv ausgerichtete Geldpolitik der EZB die Gegner einer noch umfangreicheren Öffnung der Geldschleusen laut zu Wort gemeldet.Leicht haben es die geldpolitischen Falken im EZB-Rat ohnehin nicht, verharrt doch die Inflation hartnäckig tief unter dem EZB-Zielwert von knapp 2 %. Auch die jüngsten Daten zu den Erzeugerpreisen in der Eurozone sind ihnen da keine Hilfe. Denn sie überragten im Juli das entsprechende Vorjahresniveau um gerade einmal 0,2 %, nach plus 0,7 % im Vormonat und erheblich höheren Werten in den Monaten davor (siehe Grafik). Aber selbst wenn man die schwankungsanfälligen Energiepreise weglässt, verteuerten sich Industrieprodukte um nur 0,6 %, nach noch plus 0,8 % im Juni.