"Koordinierte Politikinitiative nötig"

Warum ein Reformdeal mit Paris nicht klappen kann - Roundtable von IW, DekaBank und Börsen-Zeitung

"Koordinierte Politikinitiative nötig"

Der Streit zwischen Reformbefürwortern und Vertretern schuldenfinanzierter Konjunkturprogramme blockiert eine Lösung der Euro-Krise und erhöht die Gefahr, dass sie bald in verschärfter Form zurückkehren wird.Von Stephan Lorz, FrankfurtJüngste Äußerungen von Christine Lagarde haben die Debatte um die richtigen Weichenstellungen zur Lösung der Euro-Krise wieder angeheizt. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) forderte eine Anhebung der Schuldengrenze von 60 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) “in Richtung des aktuellen Standes”. Derzeit wären das 94 % des BIP. Damit sollten die wachstumsdämpfenden Wirkungen weiterer Konsolidierung vermieden werden, betonte sie am Wochenende. Sogleich schallte ihr heftige Kritik entgegen. Das schon wackelige Vertrauen in die Fiskalregeln werde aufgeweicht und die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben, hieß es.Die Debatte illustriert die unterschiedlichen ökonomischen Lehrmeinungen im Hinblick auf den richtigen Weg aus der Krise: Gerade aus dem angelsächsischen Raum sowie etwa aus Paris und Rom ergeht der Ruf nach – auch schuldenfinanzierten – Nachfrageimpulsen. Dagegen fordern die bisher eher stabilen Länder Reformen und verlangen eine zügigere Umsetzung derselben. Diese Debatte bestimmte auch die Gespräche am Finanzmarkt-Roundtable, zu dem das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), die DekaBank und die Börsen-Zeitung am Montag eingeladen hatten unter dem Motto “Ende der Euro-Krise? Was nun, Europa?”.Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater kritisierte, dass sich die europäische Politik offenbar mit der aktuellen Lage arrangiere, weil die Zinsen für Staatsanleihen wieder niedriger seien und zumindest ein schwaches Wachstum aufrechterhalten werde. Dabei bestehe die Gefahr einer “Japanisierung”, weil das Wachstum nicht ausreiche zur Reduzierung von Arbeitslosigkeit und die Begleitumstände der niedrigen Inflation einen Glaubwürdigkeitsverlust von Notenbank und Politik mit sich bringe. Die Krise könne dann “in verschärfter Form zurückkehren”. Erste Anzeichen einer Entsolidarisierung in Europa seien bereits sichtbar. Zugleich seien die geldpolitischen Instrumente abgenutzt und die jüngsten EZB-Programme funktionierten nicht. Kater forderte eine “koordinierte Politikinitiative”, um die Reform- und die Nachfragepolitik zu versöhnen.IW-Chef Michael Hüther machte das Misstrauen der Euro-Staaten untereinander für den gegenwärtigen Reform- und Wachstumsstillstand mitverantwortlich. Ein “Trio infernale” sagte er und zeigte die Bilder von Italiens Regierungschef Matteo Renzi, des französischen Staatspräsidenten François Hollande und IWF-Chefin Lagarde. Sie versuchten, die Krise zu nutzen “und mit halblegalen Mitteln an das Erbe und Vermögen anderer Leute zu kommen”. Er stellte dabei auf den Versuch ab, die Schulden auf der europäischen Ebene zu vergemeinschaften und den stabilen Ländern wie Deutschland mehr finanzielle Zugeständnisse abzutrotzen. IW-Ökonom Jürgen Matthes zeigte sich obendrein verwundert, dass die kritisierten Regierungen Reformen stets nur unter dem Gesichtspunkt der Wachstumsschwächung debattierten. Dabei hätte sich etwa in Spanien, Irland oder Portugal gezeigt, dass sie das Wachstum stützten und künftig für eine stabilere weitere Entwicklung sorgen könnten. Die Strukturreformen hätten zudem schon jetzt die Heterogenität in der Eurozone verringert und damit ihre Stabilität erhöht.Vor diesem Hintergrund warb auch Rolf Strauch, Vorstand des Euro-Rettungsfonds ESM, für engagierte Strukturreformen und sprach von einer “nahezu verlorenen Dekade”. Die Krise sei “in eine neue Phase” getreten. Es komme jetzt auf die Wirtschaftspolitik an. Ohne entsprechende politische Unterstützung könne schließlich auch die Geldpolitik nicht erfolgreich sein. Deutlich sprach er sich allerdings dagegen aus, eine Art schmutzigen Deal zu machen und den Stabilitätspakt im Gegenzug für Reformen aufzuweichen, wie von einigen Euro-Regierungen gewünscht. IW-Ökonom Matthes kann sich zwar durchaus vorstellen, dass im Zuge einer stärkeren fiskalischen Kontrolle schwache Länder wie Frankreich Reformversprechungen machten und im Gegenzug stärkere Länder dafür im gleichen Maß das Wachstum stimulierten, um negative Reformeffekte auszugleichen. Doch sei das etwa im Hinblick auf Paris eher illusorisch, weil sich Paris nicht sagen lasse, wo reformiert werden müsse.