Kreml setzt auf Justiz zur Inflationsbekämpfung
est Moskau – Im Kampf gegen die grassierende Wirtschaftskrise und die steigende Inflation findet sich der Kreml mehr denn je in einem Dilemma wieder, noch mehr auf staatliche Kontrolle zu setzen oder doch der Marktwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Am Montag gab Kreml-Präsidialamtschef Sergej Iwanow Einblick in die aktuelle Situation, indem er den Spagat versuchte: Die Strafverfolgungsbehörden müssten die Preisentwicklung bei Benzin, Lebensmitteln und Medikamenten “angesichts der schwierigen Wirtschaftslage” genau beobachten, sagte Iwanow in seiner Rede vor Staatsanwälten. Gleichzeitig rief er die Staatsanwaltschaft dazu auf, unbegründete Kontrollen der Wirtschaftstreibenden entschieden abzuwenden sowie den administrativen Druck auf die Unternehmer zu verringern.Sowohl die Inflation als auch der mangelnde Schutz der Unternehmerrechte machen Russlands Wirtschaft schwer zu schaffen. Offiziellen Daten zufolge stieg die Inflation im Vorjahr auf über 11 % an. Lebensmittelpreise erhöhten sich gar um mehr als 15 %. Mit dafür verantwortlich ist der als Reaktion auf die westlichen Sanktionen verhängte Importstopp für Agrarprodukte. Aber auch die rasante Abwertung des Rubel infolge des Ölpreisverfalls heizte die Teuerung deutlich an.In einem beispiellosen Schritt erhöhte die Zentralbank daher Mitte Dezember den Leitzinssatz von 10,5 % auf 17 %, was seinerseits freilich die Kreditvergabe an die Unternehmen abzuwürgen droht.Die Wirtschaftsaussichten bereiten der politischen Führung sichtlich Kopfzerbrechen, zumal nach der Einschätzung von Experten Proteste nicht mehr ausgeschlossen sind, sollten die Preise in den kommenden Monaten weiter steigen. Dazu kommt, dass erstmals seit über einem Jahrzehnt die real verfügbaren Einkommen laut Prognose des Wirtschaftsministeriums um 2,8 % fallen werden.Insgesamt erwartet die Zentralbank bei einem anhaltend niedrigen Ölpreis von 60 Dollar je Barrel im angelaufenen Jahr 2015 eine Kontraktion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von bis zu 4,8 %. Derzeit notiert die für die russische Ölsorte Urals maßgebliche Nordsee-Sorte Brent bereits unter 50 Dollar je Barrel. Unternehmer umgarntAuf der Suche nach Wirtschaftswachstum beginnt der Kreml gleichzeitig auch die Wirtschaftsakteure zu umgarnen. In den vergangenen Jahren haben Unternehmer stets über die Rechtsunsicherheit und ein mangelndes Investitionsklima geklagt sowie ihren Lebensmittelpunkt und ihr Vermögen vermehrt ins Ausland verlagert. Dem will man jetzt offenbar entgegenwirken. “Eine der aktuellen und erforderlichen Richtungen staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit muss der Schutz der Unternehmerrechte sein”, so Iwanow am Montag.