Krise in Italien spitzt sich zu

Di Maio stellt Vertrauensfrage - EU wartet auf Antwort aus Rom

Krise in Italien spitzt sich zu

bl Mailand – Während Italien auf eine neue politische Krise zusteuert und Neuwahlen im September nicht ausgeschlossen sind, wartet die EU-Kommission auf eine Antwort auf ihren am 29. Mai nach Rom geschickten Brief. Italiens Regierung muss bis zum heutigen Freitag erklären, warum sie 2018 keine Maßnahmen zur Schuldenreduzierung unternommen hat. Der Schuldenstand stieg gegenüber 2017 von 131,4 % auf 132,2 %. Erlaubt sind im Euroraum nur 60 %. Brüssel droht mit der Einleitung eines Defizitverfahrens.Rom wird in der Antwort vor allem auf den Konjunktureinbruch verweisen. Der Rechnungshof des Landes betont jedoch, dass die Schulden aufgrund der höheren Ausgaben, die zum Teil noch die frühere Mitte-Links-Regierung zu verantworten hat, auch ohne die Wachstumsabschwächung gestiegen wären.Unterdessen spitzt sich die Krise um Italien zu. Nach der verheerenden Niederlage der 5 Stelle bei den Europawahlen – die Partei war auf 17 % abgestürzt – stellte der Vizepremier und 5-Stelle-Chef Luigi Di Maio am Donnerstag den Parteimitgliedern die Vertrauensfrage. Sollte ihm das Misstrauen ausgesprochen werden, dürfte die Partei die Regierung verlassen. Dann käme es vermutlich im September zu Neuwahlen. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.Matteo Salvini, Vizepremier und Parteichef des Wahlsiegers Lega, geht auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Er hält die Zeit für gekommen, die EU-Haushaltsregeln auszuhebeln. Nachdem die Populistenregierung aus Lega und 5 Stelle bereits das Mindestrentenalter vorgezogen und ein bedingungsloses Grundeinkommen von monatlich 780 Euro eingeführt hat, dringt Salvini nun auf eine Flat Tax. Unternehmen und Privathaushalte mit Jahreseinkommen von unter 50 000 Euro sollen nur noch einen Steuersatz von 15 % entrichten. Die Maßnahme würde nach Angaben Salvinis 30 Mrd. Euro kosten. Er erwartet sich davon eine Konjunkturbelebung und Steuermehreinnahmen, die zur Schuldentilgung verwendet werden könnten.Angesichts heftiger Reaktionen an den Märkten und eines kräftigen Anstiegs der Zinsdifferenz zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen (Spread) mit zehnjähriger Laufzeit auf zeitweise 290 Basispunkte mahnen Wirtschaftsvertreter und Staatspräsident Sergio Mattarella zu Besonnenheit und einer Mäßigung des Tones. Sie fürchten aufgrund der höheren Refinanzierungskosten einen weiteren Schuldenanstieg des Staates, Probleme für die Banken und eine Kreditklemme mit unabsehbaren Konsequenzen. Der parteilose Premierminister Giuseppe Conte traf sich unterdessen sowohl mit Salvini als auch mit Di Maio und Mattarella, um eine weitere Zuspitzung der Krise zu vermeiden.