LEITARTIKEL

Krisenmanager Trump

Als in den USA vor einigen Wochen die erste Coronavirus-Infektion festgestellt wurde und noch nicht abzusehen war, dass sich die Krankheit zu einer globalen Pandemie ausweiten würde, war eines dennoch klar: Früher oder später würde Präsident Donald...

Krisenmanager Trump

Als in den USA vor einigen Wochen die erste Coronavirus-Infektion festgestellt wurde und noch nicht abzusehen war, dass sich die Krankheit zu einer globalen Pandemie ausweiten würde, war eines dennoch klar: Früher oder später würde Präsident Donald Trump Führungsqualitäten beweisen müssen, die er während seiner mehr als drei Jahre im Amt weder demonstriert hatte noch in den Augen seiner Kritiker überhaupt besaß. Trump zauderte und spielte die Risiken für die Bevölkerung sowie die Wirtschaft bewusst herunter. Zum Leiter einer Arbeitsgruppe, die Konzepte entwickeln sollte, um dem Coronavirus entgegenzuwirken, ernannte er Vizepräsident Mike Pence. Dabei war Pence für den Job denkbar unqualifiziert, hatte er gerade auf dem Gebiet des Gesundheitswesens doch bereits als Gouverneur von Indiana kläglich versagt. Pence` Berufung löste ebenso Kopfschütteln aus wie Trumps Behauptung, das Virus stelle für die USA keine Gefahr dar und er habe ohnehin alles “großartig” unter Kontrolle. Es wurden Bagatellbeträge lockergemacht, um mehr Tests durchzuführen.Nun aber hat sich das Blatt recht dramatisch gewendet, und dem Präsidenten ist es auf einmal gelungen, sich als effektiver Krisenmanager regelrecht zu profilieren. Dass Trumps entschlossenes Vorgehen durch einen dramatischen Einbruch an der Wall Street ausgelöst wurde – Leitindizes wie der Dow Jones sind für ihn neben der Zahl der Neueinstellungen das wichtigste Maß wirtschaftlichen Erfolges -, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Er hat während der letzten Tage jene resolute Entschlossenheit bewiesen, wie man sie sich vom Regierungschef einer Weltmacht vorstellt.Der Präsident sorgte dafür, dass sich Pence` Arbeitsgruppe nur aus den angesehensten Immunologen, Fachärzten und sonstigen Experten zusammensetzt. Er hat tief in jeden Finanztopf gegriffen, den er via Dekret anzapfen darf. Auch drängte er mit Erfolg Republikaner und Demokraten, zumindest vorübergehend das Kriegsbeil zu begraben und Hilfspakete zu verabschieden, um zu verhindern, dass eine mittlerweile wohl unausweichliche Rezession in eine Depression abgleitet. Die erste Phase voraussichtlich zahlreicher Stimulusprogramme in Form von Lohnfortzahlungen und Steuernachlässen für Firmen ist fixiert. Ein umfassenderes Maßnahmenbündel, welches auch Direktzahlungen an Haushalte sowie zinsgünstige Darlehen für die Flugindustrie und andere Branchen beinhaltet, dürfte weit über 1 Bill. Dollar kosten. Das Gesetz wird jenes Ausgabenprogramm, welches sein Vorgänger Barack Obama im Zuge der Weltrezession 2008 zimmerte, in den Schatten stellen.Obama stand seinerzeit Joe Biden zur Seite – anno 2020 Trumps designierter Gegner bei der anstehenden Präsidentschaftswahl. Dies führt wiederum zu der Frage, was die Coronavirus-Pandemie eigentlich für den US-Wahlkampf bedeutet, der mittlerweile komplett in den Hintergrund getreten ist. Lässt man die Krise, deren Ende auch mit Blick auf die ökonomischen Folgen nicht abzusehen ist, außen vor, zeichnet sich ein Duell zweier Kontrahenten ab, deren wirtschaftspolitische Positionen im Normalfall unterschiedlich, aber keineswegs kontrastreich sind. Beide, das Polit-Chamäleon Trump und der gemäßigte Demokrat Biden, plädieren für Steuersenkungen für die Mittelklasse und setzen sich für Ausgabenprogramme ein, um die Konjunktur anzukurbeln. Im Regelfall würden sie hingegen in Fragen der Handels- und Umweltpolitik sowie der Finanzmarktregulierung aufeinanderprallen. Trump ersetzt Multilateralismus durch Alleingänge, leugnet den Klimawandel und will die Wirtschaft selbst von einem dringenden Minimum an staatlicher Regulierung befreien. In einem normalen Umfeld hätte Biden, der in jedem dieser Bereiche konträre Positionen vertritt, glänzende Chancen gegen einen Präsidenten, der über drei Jahre Wähler ebenso wie politische Verbündete belogen hat und dessen unflätiges Benehmen eine klare Mehrheit der Amerikaner abstößt.——Von Peter De Thier Donald Trump hat im Kampf gegen das Coronavirus die Chance, sich als Krisenmanager zu profilieren und seine Präsidentschaft zu retten.——