Kursrally erfüllt Weidmann mit großer Sorge

Bundesbankchef: "Stark gestiegener Risikoappetit"

Kursrally erfüllt Weidmann mit großer Sorge

ms Frankfurt – Die jüngste Kursrally an den Finanzmärkten, die nicht zuletzt durch die breit angelegten Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgelöst worden ist, bereitet Bundesbankpräsident Jens Weidmann zunehmend Sorgen. “Die kräftigen und zum Teil rasanten Kurssteigerungen an den europäischen Aktien- und Anleihemärkten in den vergangenen Wochen und Monaten deuten auf einen stark gestiegenen Risikoappetit hin, den wir als Notenbanken sorgsam beobachten müssen”, sagte Weidmann laut Redemanuskript gestern Abend in München.”Nach meiner Ansicht darf die Geldpolitik nicht mit den Schultern zucken, wenn es Anzeichen für spekulative Übertreibungen auf den Vermögensmärkten gibt”, sagte Weidmann zu der Frage, wie die Geldpolitik mit den Risiken für die Finanzstabilität umgehe, die von der aktuellen ultralockeren Politik ausgingen.Mit seinen Aussagen forciert Weidmann seine Warnung hinsichtlich einer zu lockeren Geldpolitik und konkret auch des Staatsanleihekaufprogramms der EZB. Seit 9. März kaufen die Euro-Hüter in großem Stil auch staatliche Schuldtitel. Bis September 2016 wollen sie insgesamt 1,14 Bill. Euro ins System pumpen. Das soll die Wirtschaft im Euroraum anheizen und die Inflation erhöhen.Bereits in Erwartung der neuerlichen Geldschwemme, aber auch nach dem Start der Käufe ist es zu starken Marktreaktionen gekommen: Der Dax ist zeitweise von Rekord zu Rekord geeilt, die Renditen der Staatsanleihen sind weiter stark gesunken. Vor allem in Deutschland befürchten viele Beobachter neue Übertreibungen und Preisblasen.Erst vor wenigen Tage hatte auch die Bank der Zentralbanken BIZ vor den Risiken der “neuen Welle der geldpolitischen Lockerung” gewarnt, vor allem an den Anleihemärkten. So äußerte sie etwa die Sorge auch vor politischen Verwerfungen infolge der um sich greifenden Negativrenditen. Seit Jahresbeginn haben mehr als 20 Notenbanken ihre Politik gelockert, teils auch in Reaktion auf das EZB-Kaufprogramm.Weidmann forderte gestern erneut, die Notenbanken müssten künftig “symmetrischer” über den Finanzzyklus agieren, um den Aufbau finanzieller Ungleichgewichte zu verhindern – also in Aufschwungphasen tendenziell straffer sein, als es allein der Inflationsausblick nahelege. Er habe insoweit “Sympathien für den Ansatz der BIZ” – die genau das seit langem fordert. Die monetäre Analyse der EZB müsse weiter verbessert werden, um sie “als zuverlässiges Frühwarnsystem für längerfristige Preisrisiken aus finanziellen Ungleichgewichten nutzen zu können”.Wie sehr auch die Geldpolitik künftig die Finanzstabilität in Betracht ziehen sollte, gehört aktuell zu den meist diskutierten und umstrittensten Themen in der Fachwelt. EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio hat den BIZ-Ansatz wiederholt klar zurückgewiesen (vgl. BZ vom 17. 10. 2014.)