Lagarde nimmt Politik ins Gebet

IWF-Chefin mahnt rasche Lösung der Handelskonflikte an - Fonds drängt Berlin zu höheren Investitionen

Lagarde nimmt Politik ins Gebet

Die Finanzminister und Notenbankchefs der 189 IWF-Mitgliedsländer beraten ab heute in Washington über die Lage der Weltwirtschaft. Der IWF sieht die globale Konjunktur an einem “heiklen Punkt” und warnt vor politischen Fehlern. Auch Deutschland steht im Fokus: Berlin soll mehr investieren.ms Frankfurt – Angesichts der schwächelnden Weltwirtschaft hat IWF-Chefin Christine Lagarde mit Nachdruck an die politisch Verantwortlichen appelliert, die Situation nicht durch politische Fehlentscheidungen zu verschärfen. Insbesondere warnte Lagarde gestern zum Auftakt der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor einer weiteren Verschärfung der Handelsstreitigkeiten und mahnte eine Lösung der Konflikte an, um einen “synchronen Abschwung” aufzuhalten. “Tut das Richtige””Wir müssen vermeiden, uns selbst Wunden zuzufügen”, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington. Den politisch Verantwortlichen rief sie zu: “Richtet keine Schäden an. Tut das Richtige.” Das gelte insbesondere im Bereich des Handels. Zölle und andere Handelsbarrieren verursachten Schäden für die Weltwirtschaft. Bereits jetzt erlebten 70 % der Weltwirtschaft eine Abschwächung – während im Gegensatz dazu vor einem Jahr 75 % der Weltwirtschaft gewachsen seien, sagte sie.Mit ihrer Aussagen erhöht Lagarde vor dem heute offiziell beginnenden Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 189 IWF-Mitgliedsländer den Druck auf die Politik. Der Appell richtet sich vor allem auch an die USA, deren Präsident Donald Trump und dessen “America First”-Politik. Erst diese Woche hatte Trump der EU mit neuen Strafzöllen gedroht. Parallel zur IWF-Tagung treffen sich in Washington auch die Finanzminister und Notenbankchefs der G 7- und G 20-Staaten.Unmittelbar vor der IWF-Tagung und den Treffen hatte der Fonds in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick die Prognose für das globale Wachstum erneut heruntergeschraubt. Für 2019 und 2020 erwartet er nun 3,3 % und 3,6 % Wachstum. Die Weltwirtschaft sei an einem “heiklen” Punkt angelangt und die erhoffte Erholung im Jahr 2020 “prekär” und durch Risiken “gefährdet”.IWF-Chefin Lagarde untermauerte gestern das Bild aus dem Weltwirtschaftsausblick und warb erneut für politische Schritte in drei Bereichen: in der jeweiligen nationalen Politik, in der grenzüberschreitenden Politik und in koordinierten Anstrengungen zur Bewältigung der globalen Herausforderungen.Auf nationaler Ebene pocht der IWF auf Maßnahmen, um die Volkswirtschaften widerstandsfähiger zu machen und dafür zu sorgen, dass alle von Wachstum profitieren. Lagarde hob auch gestern wieder insbesondere den Bedarf an “kluger Fiskalpolitik” hervor. Dem IWF geht es dabei um die richtige Balance zwischen Wachstum, Schuldentragfähigkeit und sozialen Zielen.Im Blick hat der Fonds dabei insbesondere auch Deutschland. Bereits in seinem Weltwirtschaftsausblick hatte er dafür plädiert, dass Deutschland seinen Haushaltsspielraum nutzen und die staatlichen Investitionen erhöhen oder auch die Lohnnebenkosten senken solle, falls nötig sogar sehr rasch. Am Mittwoch hatte der IWF-Direktor für Fiskalpolitik, Vítor Gaspar, das bekräftigt und argumentiert, dass es für Deutschland aufgrund der weiterhin sehr niedrigen Finanzierungskosten vernünftig sei, öffentliche Ausgaben zu forcieren. “Es gibt viele Möglichkeiten für produktive Investitionen in Infrastruktur und Netzwerke in Deutschland”, so Gaspar. Berlin weist solche Forderungen bislang zurück und beharrt auf einem ausgeglichenen Haushalt (“schwarze Null”). Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nimmt neben Bundesbankpräsident Jens Weidmann an der IWF-Tagung teil.Skeptisch äußerte sich Lagarde gestern zur sogenannten Modern Monetary Theory (MMT), über die derzeit vor allem in den USA lebhaft diskutiert wird. Im Kern besagt diese Theorie, dass staatliche Defizite keine Rolle spielen, wenn ein Land sich in der eigenen Währung verschulden kann, da die Regierung Defizite durch Drucken von Geld kostenlos finanzieren könne. Die Umstände, in denen dieser Ansatz funktionieren könne, seien “sehr, sehr, sehr begrenzt”, sagte Lagarde. Aktuell befinde sich kein Land in einer Situation, in der das dauerhaft helfen könnte. MMT sei “kein Allheilmittel”, sagte Lagarde.