Geldpolitik

Lane für Flexibilität bei EZB-Inflationsziel

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane spricht sich für mehr Flexibilität beim EZB-Inflationsziel aus. Das signalisiert auch, dass die EZB noch sehr lange an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten wird.

Lane für Flexibilität bei EZB-Inflationsziel

ms Frankfurt

Nach Ansicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane spricht viel dafür, die Inflationsrate im Euroraum künftig für eine gewisse Zeit über das EZB-Inflationsziel von aktuell knapp 2% hinaus ansteigen zu lassen – nachdem sie nun jahrelang unterhalb dieses Ziels gelegen hat. „Ich denke, dafür gibt es eine sehr starke Logik“, sagte Lane der „Financial Times“. Dabei gehe es auch um die Glaubwürdigkeit des Ziels und der Notenbank. Eine explizite Strategie eines durchschnittlichen Inflationsziels, wie sie die US-Notenbank­ Fed nun betreibt, sieht Lane aber durchaus skeptisch.

Lanes Aussagen sind in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Zum einen untermauern sie Einschätzungen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch sehr lange und womöglich länger als derzeit viele erwarten an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhält – selbst dann, wenn das 2-Prozent-Ziel in Reichweite oder gar schon erreicht ist. Zum anderen kommen sie zu einer Zeit, da die Strategieüberprüfung der EZB immer mehr Fahrt aufnimmt. Bei der ersten Überprüfung seit 2003 geht es auch um das Inflationsziel.

„Die Geschichte der Inflation zählt“, sagte Lane. Es brauche Wege zu beweisen, dass die Menschen an das mittelfristige Inflationsziel glauben können. Dazu könne es gehören, nach Perioden mit zu niedriger Inflation solche mit erhöhter Inflation zuzulassen. Lane betonte aber, dass die Diskussion noch in vollem Gange sei. Zugleich sagte er, dass die EZB auch bislang schon Raten oberhalb von 2% zugelassen habe. „Ich glaube also nicht, dass 2% unbedingt als Obergrenze angesehen wurden.“

Mit Blick auf den historischen Strategieschwenk der Fed in Richtung eines flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels („Flexible Average Inflation Targeting“) sagte Lane, dass dafür „analytisch“ sehr viel spreche. Wichtig sei aber die Flexibilität: „Niemand will die strikte Verfolgung eines Durchschnittswerts, bei der nach einer Periode erhöhter Inflation eine Periode unterdurchschnittlicher Inflation erzwungen werde müsste.“ Zudem gebe es auch andere erfolgversprechende Strategien zur Verankerung der Inflationserwartungen.

Die Aussagen schüren Erwartungen, dass die EZB als Ergebnis ihrer Strategieüberprüfung die Symmetrie ihres Inflationsziels stärker betont, dass also Abweichungen nach unten und oben gleichermaßen bekämpft werden, dass sie aber nicht exakt dem Fed-Vorbild folgt. Beim Ziel selbst wird ein stärkeres Punktziel von rund 2% erwartet. Derzeit lautet das Ziel „unter, aber nahe 2%“.

Mit Blick auf die aktuelle Geldpolitik sprach sich Lane erneut gegen eine explizite Kontrolle der Renditekurve aus („Yield Curve Control“). Entscheidend für die EZB sei das Zusammenspiel aus Finanzierungsbedingungen und Inflationsausblick. „Die Einschätzung, ob die Finanzierungsbedingungen günstig sind, ist dynamisch“, betonte Lane.

Portugals Notenbankchef Mario Centeno hatte am Montag gesagt, dass die EZB Monat für Monat über die Höhe ihrer Käufe beim Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP entscheide. Zuvor hatte EZB-Chefin Christine Lagarde bei vielen den Eindruck erweckt, das geschehe alle drei Monate mit neuen EZB-Projektionen für Wachstum und Inflation.