Lauterbach drückt auf Booster-Tempo
sp/ahe Berlin/Brüssel
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Tempo der laufenden Booster-Impfkampagne hochhalten und den dafür benötigten Impfstoff durch vorgezogene Lieferungen des US-Herstellers Moderna sicherstellen. „Es kann nicht sein, dass die besonders erfolgreiche Booster-Kampagne mit zuletzt 1,5 Millionen Auffrischimpfungen an einem Tag ausgebremst wird, weil wir nicht genug Impfstoff haben“, erklärte Lauterbach in Berlin. Er wolle sicherstellen, dass zu jedem Zeitpunkt deutlich mehr Impfstoff verfügbar sei, als abgerufen wird, um Impfstoffbedarfe ohne Verzug decken zu können, erklärte der Gesundheitsminister, der am Dienstag für Aufregung sorgte, weil er nach einer Inventur der verfügbaren Impfstoffe eine Versorgungslücke ausgemacht hatte. Aus den Parteien der Ampel-Koalition gab es daraufhin scharfe Kritik am Gesundheitsminister der gerade abgetretenen Regierung, Jens Spahn (CDU). Lauterbach spiele Feuerwehrmann, nachdem er selbst Alarm ausgelöst habe, hieß es von Seiten der Union.
Sein Vorgehen sei ausdrücklich keine Kritik an seinem Vorgänger, stellte Lauterbach am Donnerstag klar. „Wir haben eine sehr offensive Booster-Impfungs-Strategie zu unserem Hauptwerkzeug gemacht“, erklärte der Gesundheitsminister. Um den dafür erforderlichen Impfstoff zu beschaffen, habe sein Haus bereits am vergangenen Wochenende die nötigen Schritte eingeleitet, und man habe einen ersten Erfolg zu vermelden. So habe die EU-Kommission am Donnerstag die Zustimmung dafür gegeben, dass Moderna die Lieferung von 10 Millionen bestellten Impfdosen in den Dezember vorziehen kann. Weitere 25 Millionen Dosen sind für das erste Quartal zugesagt. Er hoffe, dass ein möglichst großer Teil dieser Tranche noch im Januar ausgeliefert werde. Darüber hinaus habe Deutschland sich weitere 80 Millionen Impfdosen von Biontech gesichert. „Ich hoffe, dass wir einen Teil der Dosen noch im ersten Quartal bekommen.“ In den ersten zwei Januar-Wochen sollen jeweils knapp 2,2 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs an den Bund geliefert werden und in den Kalenderwochen drei und vier jeweils gut 2 Millionen, wie laut Reuters aus einer Aufstellung des Gesundheitsministeriums hervorgeht.
Lauterbach drückt mit der Booster-Kampagne aufs Tempo, weil die Omikron-Variante des Coronavirus der vierten Infektionswelle neuen Schub zu verleihen droht. Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler warnte am Donnerstag vor der Dynamik der neuen Variante. Zwar sei nicht viel über die Gefährlichkeit bekannt, sagte Wieler. Aber es sei klar, dass die Zahl der Fälle wegen der höheren Ansteckungsrate wieder deutlich steigen werde und damit auch die Zahl von Schwererkrankten. Deshalb müsse man die Zahl der Infizierten unbedingt senken, bevor sich die Variante wie in Großbritannien ausbreite. Lauterbach sprach von einer Verdoppelung der Fälle alle zwei bis drei Tage. „Die Strategie der Bundesregierung ist, die Omikron-Variante mit einer offensiven Booster-Strategie so klein wie möglich zu halten“, betonte der Gesundheitsminister.
Koordination gefragt
Die EU-Staats- und Regierungschefs zeigten bei ihrem Gipfel in Brüssel Verständnis für Reisebeschränkungen, die im Kampf gegen die Pandemie derzeit wieder in verschiedenen Mitgliedstaaten verhängt werden. Sie verwiesen in der Abschlusserklärung des Treffens darauf, dass die Beschränkungen das Funktionieren des Binnenmarkts nicht untergraben und die Bewegungsfreiheit innerhalb und in die EU nicht „unverhältnismäßig“ behindern sollten. Zudem forderten sie eine starke Koordinierung der Maßnahmen – auch was die Gültigkeit des Corona-Impfzertifikats betrifft.
Aus Angst vor der Omikron-Variante hatten zuvor zahlreiche EU-Staaten Maßnahmen angekündigt, die auch Geimpfte treffen. Italien führte eine rasche Testpflicht bei der Einreise an, ohne dies – wie eigentlich vereinbart – vorher in Brüssel anzukündigen und mit den Nachbarstaaten zu besprechen. Auch Finnland verschärfte die Einreisebestimmungen für bestimmte Länder. Griechenland und Irland hatten ebenfalls ihre Maßnahmen verschärft.
Auf dem Gipfel hatten sich mehrere Staats- und Regierungschefs mit Blick auf Testpflichten für Geimpfte zwar ablehnend geäußert, wie in Brüssel zu hören war. Allerdings ist ebenfalls noch unklar, wie lange das derzeit EU-weit gültige Impfzertifikat gültig sein soll. Im Gespräch ist ein Auslaufen nach neun Monaten. Die EU-Kommission will in Kürze hierzu einen Vorschlag vorlegen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb auf dem Gipfel ebenfalls für das Impfen. Derzeit klaffen die Impfquoten in den EU-Staaten allerdings noch erheblich auseinander. In neun EU-Staaten liege sie unter 60%. In Deutschland sind rund 70% der Bevölkerung vollständig geimpft. „Impfen und Boostern ist derzeit der beste verfügbare Schutz“, betonte von der Leyen.
Wertberichtigt Seite 8
Große Spannbreite | |
Anteil vollständig Geimpfter in der EU | |
Land | Prozent |
1. Dänemark | 82,0 |
2. Portugal | 81,9 |
3. Malta | 81,8 |
4. Irland | 76,7 |
(…) | |
11. Deutschland | 69,0 |
(…) | |
24. Kroatien | 49,0 |
25. Slowakei | 46,6 |
26. Rumänien | 39,0 |
27. Bulgarien | 26,2 |
Quelle: EU-Kommission (10.12.21)Börsen-Zeitung |