Lehren aus der Zeit der Finanzkrise

OECD: Erholung der Wirtschaft wird dauern - Impfstoff entscheidend - Warnung vor Zombiefirmen

Lehren aus der Zeit der Finanzkrise

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) appelliert an Regierungen, nicht den Fehler aus der Zeit nach der Finanzkrise 2008/09 zu wiederholen und die Hilfen zu schnell zu beenden. Sie plädiert auch für strukturelle Reformen, um die Wirtschaft an die Veränderungen anzupassen. wü Paris – Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Einbruch der globalen Wirtschaft ist in diesem Jahr bisher weniger stark ausgefallen als zunächst befürchtet. Doch die Erholung dürfte lange dauern, warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Denn niemand weiß genau, wie sich die Pandemie weiterentwickeln, wann ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Entsprechend hoch ist die Unsicherheit, entsprechend niedrig ist das allgemeine Vertrauen. Gleichzeitig hat sich die Erholung seit Ende der coronabedingten Beschränkungen zuletzt aber vermutlich wegen neuer Maßnahmen, die einige Länder ergriffen haben, wieder abgeschwächt.”Es muss alles getan werden, um das Vertrauen wiederherzustellen”, forderte OECD-Chefökonomin Laurence Boone bei der Vorstellung des am Mittwoch veröffentlichten Zwischenwirtschaftsausblicks. Dabei appellierte sie an die Regierungen, nicht den Fehler der Finanzkrise 2008/2009 zu wiederholen und die nun zugesagten Hilfen zu schnell zu beenden. “Es wird wieder Haushaltskonsolidierungen geben, aber nicht 2021”, sagte Boone. “Ohne fortgesetzte Unterstützung könnten Konkurse und Arbeitslosigkeit schneller als nötig ansteigen und die Lebensgrundlagen der Menschen auf Jahre hinaus belasten.” Da die Welt vermutlich noch viele Monate lang mit dem neuen Coronavirus leben müsse, plädierte Boone dafür, die Unterstützungsstrategien anzupassen, ohne die steuerpolitischen Hilfen zu beenden, um so die durch die Krise verursachten lang anhaltenden Kosten zu begrenzen. So müsse etwa sichergestellt werden, dass nicht überlebensfähige Unternehmen nicht über einen längeren Zeitraum unterstützt würden. Kurzarbeitsprogramme seien zwar effektiv, um bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, heißt es in dem Bericht. Doch sie könnten auch die für die Nachkrisenzeit wünschenswerte branchenübergreifende Anpassung an den Wandel verhindern. Deshalb müsse der Fokus der Hilfen nach und nach so verändert werden, dass dadurch eher Arbeitnehmer als Stellen unterstützt würden. Die OECD-Experten betonen auch die Notwendigkeit, die Zeit jetzt für strukturelle Reformen zu nutzen und den Klimaschutz stärker zu priorisieren. Die Coronakrise habe die oft nach der Finanzkrise entstandenen Schwächen verstärkt, geben sie zu Bedenken. Deshalb sollten die Regierungen die Erholung auch nutzen, um die Wirtschaft ihrer Länder bessern an die Veränderungen anzupassen.Gelänge dies nicht, bestehe die Gefahr, dass Ressourcen bei unproduktiven “Zombiefirmen und -jobs” gebunden blieben und so die Chancen für einen Wechsel zu produktiveren Bereichen verringerten. Chefökonomin Boone plädiert auch für klare Reisevorgaben und eine verstärkte globale Kooperation, um die Grenzen offen und den freien Warenfluss aufrechtzuerhalten. Zuversicht für DeutschlandBoone geht inzwischen davon aus, dass die globale Wirtschaft in diesem Jahr um 4,5 % schrumpfen wird. Im Juni war sie in einem Negativszenario noch von einem Einbruch von 7,6 % ausgegangen, in einem Positivszenario von – 6 %. Auch wenn sie die Prognosen für Länder wie Deutschland, China, Frankreich und die USA für dieses Jahr anhob, warnte sie, dass der globale Ausblick sehr unsicher bleibe und von verschiedenen Faktoren wie Länge und Dauer neuer Covid-19-Ausbrüche abhänge.Dabei dürfte Deutschland vergleichsweise gut über die Runden kommen. Sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 2020 um 5,4 % sinken und nächstes Jahr 4,6 % zulegen, so die Prognose. Dagegen dürfte es 2020 in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, Frankreich, um 9,5 % einbrechen und in Italien um 10,5 %. 2021 dann dürfte die französische Wirtschaft 5,8 % zulegen, die italienische 5,4 %. Die OECD geht davon aus, dass China mit + 1,8 % dieses Jahr als einziges Land wächst. Dagegen lief es in Argentinien, Indien und Mexiko weniger gut als erwartet, so dass die Organisation für sie die Prognosen senkte. Auch weltweit erwartet sie inzwischen für 2021 mit 5 % ein etwas niedrigeres Wachstum als im Juni, als sie in ihrem optimistischen Szenario noch von 5,2 % ausgegangen war.