Leises Adieu von der Schweizer Notenbank
Leises Adieu von der Schweizer Notenbank
Thomas Jordans letzte Leitzinssenkung wurde erwartet – Nun droht wieder Deflation
dz Zürich
Thomas Jordan, der seit 2012 an der Spitze der Schweizerischen Nationalbank steht und sein Amt Ende des Monats an Martin Schlegel übergibt, hat den Finanzmarktteilnehmern eine letzte Überraschung erspart. Die SNB senkte den Leitzins am Donnerstag erwartungsgemäß um 0,25 Prozentpunkte auf 1%, nachdem im Vorfeld teilweise auch im Geldmarkt manifest gewordene Erwartungen eines größeren Zinsschrittes von bis zu 0,5 Prozentpunkten wach geworden waren.
Am Dienstag werde er seinem Nachfolger Martin Schlegel die Schlüssel für sein Büro übergeben, beantwortete Jordan auf seiner letzten Medienkonferenz eine entsprechende Journalistenfrage – ohne sich allerdings den leicht spöttischen Nachsatz zu verkneifen, dass sein Büro gar nie abgeschlossen sei. Jordan hat gelernt, wie Medien funktionieren. Er weiß, was sie gerne hören möchten, und er weiß, was er sagen will und was nicht.
Überraschung mit Nebenwirkung
Der 61-Jährige hat die Finanzmärkte in der Vergangenheit immer wieder überrascht, bisweilen sogar gewaltig, wie damals im Januar 2015 mit der Aufhebung des Euromindestkurses, die eine schlagartige Aufwertung des Franken um mehr als 20% zur Folge hatte. Im März dieses Jahres war Jordan auch der erste Notenbanker eines Industrielandes gewesen, der angefangen hatte, den Leitzins zu senken. Er sollte recht bekommen.
Zwar war die Teuerung vom ersten zum zweiten Quartal 2024 noch von 1,2% auf 1,4% gestiegen, aber aus voraussehbaren Gründen. Im August lag die Teuerung noch bei 1,1% und sie wird sich gemäß jüngster SNB-Prognose im Jahresmittel auf 1,2% einpendeln. 2025 erwartet die SNB aber nur noch eine Teuerung von 0,6%, die inflationsdämpfende Wirkung der aktuellen Leitzinssenkung eingerechnet.
Die Abwärtsrisiken überwiegen
Damit bewegt sich die SNB zwar immer noch in dem von ihr definierten Bereich der Preisstabilität (0% bis 2%), aber Jordan sagt ausdrücklich, dass er die Abwärtsrisiken für die Inflation derzeit höher einstufe als die Aufwärtsrisiken. In der Schweiz, die während sieben Jahren mit dem niedrigsten Zinsniveau (−0,75%) leben musste, das weltweit je gemessen wurde, wecken solche Aussagen ungute Gefühle.
Freilich geht die Nationalbank in ihrem Basisszenario davon aus, dass sich die nicht zuletzt von der schwachen Nachfrage in Deutschland aber auch vom hohen Frankenkurs gebremste Wirtschaft im kommenden Jahr von 1% auf 1,5% beschleunigen wird und das neuerliche Deflationsrisiko allmählich zum Verschwinden bringt.
Doch die weltwirtschaftlichen Unsicherheiten sind groß und könnten das SNB-Szenario zu Fall bringen. Für den großen Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte wäre es angesichts der tatsächlich beobachtbaren Teuerung zwar noch etwas früh gewesen. Aber die SNB hat mit der scharfen Abwärtskorrektur ihrer Inflationsprognose vom 1,1% im Juni auf aktuell 0,6% für 2025 die nicht ungefährliche Dynamik an der Preisfront unmissverständlich klargemacht. Mit Sätzen wie „Die Unsicherheit bezüglich der Inflationsentwicklung ist nach wie vor hoch“ oder „In den nächsten Quartalen können weitere Zinssenkungen erforderlich werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten“ hat Jordan zum Schluss seiner Amtszeit auch verbal deutliche Warnsignale gesetzt. Die Hauptaufgabe seines Nachfolgers wird es vorerst sein, einen Rückfall in die Zeit der Negativzinsen zu verhindern.