Löhne in Euroland nach unten extrem starr

EZB: Selbst in Zeiten großer Krisen keine Kürzungen - Abwärtsrigidität bremst auch Anstieg im Aufschwung

Löhne in Euroland nach unten extrem starr

ms Frankfurt – Die Unternehmen im Euroraum haben selbst in den Jahren nach der Weltfinanzkrise samt globaler Rezession und in der Zeit der zugespitzten Euro-Schuldenkrise weitestgehend darauf verzichtet, die Löhne und Gehälter zu kürzen – die nominale Lohnrigidität nach unten war also sehr ausgeprägt. Zugleich wurde es für die Unternehmen aber zwischen 2010 bis 2013 tendenziell leichter, Beschäftigung und Löhne anzupassen – insbesondere in jenen Ländern, die Arbeitsmarktreformen umgesetzt haben, also vor allem in den Euro-Krisenländern. Das sind zwei zentrale Aussagen eines Aufsatzes aus dem EZB-Wirtschaftsbericht, den die Notenbank gestern vorab veröffentlichte. Der vollständige Bericht erscheint am Donnerstag. Für die Geldpolitik zentralDer Prozess der Lohnsetzung ist für eine Zentralbank von zentraler Bedeutung. Zum einen ist die Frage, wie flexibel Löhne sind, sehr wichtig mit Blick auf die Anpassung des Arbeitsmarktes an konjunkturelle und strukturelle Veränderungen. Gerade in einer Währungsunion mit relativ schwacher Mobilität gilt ein funktionierender Lohnmechanismus als essenziell, weil der Wechselkurs als Ausgleichsventil ausfällt. Zudem sind die Löhne ein wesentlicher Kostenfaktor für die Kalkulation der Absatzpreise. Die Lohnentwicklung beeinflusst damit die kurz- bis mittelfristige Inflationsdynamik.Die EZB hat sich in der Vergangenheit wiederholt kritisch mit der Lohnflexibilität im Euroraum und speziell mit der abwärtsgerichteten Lohnstarrheit auseinandergesetzt. Sie hat betont, dass rigide Löhne die Anpassung auf Beschäftigungsseite verlangsamen, und Reformen für flexiblere Arbeitsmärkte gefordert. EZB-Gegner nicht zuletzt vom linken Spektrum kritisieren dagegen, flexiblere Arbeitsmärkte mündeten leicht in höhere Arbeitslosigkeit und damit letztlich sogar in niedrigere Inflation.Der jetzt vorgelegte Aufsatz kommt zu dem Ergebnis, dass die abwärts gerichtete Lohnstarrheit auch in den Jahren 2010 bis 2013 vorherrschend war – “trotz der Dauer und Intensität der Krise”. Nominale Lohnkürzungen seien extrem selten gewesen. Der Aufsatz basiert auf der dritten Umfragerunde des Wage Dynamics Network (WDN), eines Forschungsnetzwerks der nationalen Notenbanken des Eurosystems und weiterer europäischer Länder. Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt auf dem Anpassungsverhalten von Unternehmen an Veränderungen des Wirtschaftsumfelds. Die Umfrage erstreckte sich auf 25 Länder.In ihrer Analyse kommt die EZB ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die abwärts gerichtete Lohnrigidität auch in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Erholung ein großes Problem sei, weil sie die Lohnanstiege bremse. Denn Unternehmen, die um diese Starrheit wüssten, würden bei Lohnerhöhungen bremsen. Sie würden nachteilige Wirkungen befürchten, wenn sie diese zurückdrehen müssten. Studien hätten ergeben, dass Einsatz und Produktivität einer Arbeitskraft bei einer Lohnkürzung um einen bestimmten Betrag stärker sinken würden, als sie bei einer Lohnerhöhung um den gleichen Betrag steigen würden. Ein Zurückschrauben einmal gewährter höherer Löhne bedeute also unter dem Strich Einbußen bei der Produktivität. In die Zukunft schauende Unternehmen seien deshalb zurückhaltend. In einer Phase wie der aktuellen mit niedriger Inflation könne das zu Zweitrundeneffekten führen, warnt die EZB. Bonuskürzungen als ErsatzZwischen 2010 und 2013 hätten die Unternehmen aber, statt die Löhne zu kürzen, verstärkt die Flexibilität bei Bonuszahlungen und anderen Leistungen genutzt, um die Arbeitskosten zu senken. Das habe in der Zeit moderat als “Puffer” bei wirtschaftlichen Schocks fungiert.Schließlich verweist die EZB darauf, dass in jenen Ländern, die ihre Arbeitsmärkte reformiert haben – wie Spanien, Portugal, Griechenland oder Zypern – ein erheblicher Teil der Unternehmen angegeben habe, dass sie Anpassungen bei der Beschäftigung, wie etwa den Arbeitsstunden, und bei den Löhnen 2013 als einfacher empfunden hätten als noch 2010. Die EZB wertet das als Beleg für den Erfolg der Reformen. Um Arbeitsmarktanpassungen weiter zu erleichtern und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, seien “glaubwürdige und effektive Arbeitsmarktreformen essenziell”, mahnt die EZB.