Lohngefälle verringert sich erstmals
ast Frankfurt – Die Lohnschere in Deutschland schließt sich. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verdienten Besserverdiener 2018 das 3,27-Fache des Bruttostundenlohns von Geringverdienern. 2014 war es noch das 3,48-Fache gewesen. Die Statistiker beobachten “erstmals eine Tendenz zur Lohnangleichung”. Grund dafür ist Ökonomen zufolge der Mindestlohn, der seit 2015 gilt. “Der Mindestlohn wirkt”, sagt Mario Bossler, Leiter der Mindestlohn-Arbeitsgruppe am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). 50 bis 60 % der Angleichung führen die IAB-Forscher auf den Mindestlohn zurück. Die Differenz erklärt das IAB durch die gute Arbeitsmarktsituation. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beobachtet den Trend zur Verringerung der Ungleichheit bereits seit 2011.Der Destatis-Erhebung zufolge schließt sich die Lohnschere vor allem in Ostdeutschland. Besserverdienende erhielten hier das 2,8-Fache des Bruttostundenverdienstes eines Geringverdienenden. Vier Jahre zuvor war es noch das 3,31-Fache gewesen. Im Westen ist dieser Trend schwächer. Besonders offensichtlich wird die Verringerung des Lohnunterschieds bei den unteren 10 % auf der Lohnskala. Dort wirkt sich der vor fünf Jahren bundesweit eingeführte Mindestlohn am stärksten aus. 2018 betrug er 8,84 Euro, aktuell liegt er bei 9,35 Euro. Bis zum 1. Juli 2022 soll er nach Empfehlung der Mindestlohn-Kommission auf 10,45 Euro erhöht werden. “Diese Entscheidung halten wir für maßvoll”, sagt IAB-Experte Bossler. “Der Mindestlohn darf jedoch grundsätzlich nicht zu hoch angesetzt werden, um die Lohneffekte nicht mit negativen Beschäftigungseffekten zunichtezumachen.” IW-Experte Christoph Schröder mahnt: “Durch den Mindestlohn dürfen gerade im unteren Qualifikationsbereich die Bildungsanreize nicht verloren gehen.” Das sei durch den bisherigen Mindestlohn nicht passiert, die Gefahr bestehe aber, wenn die Lohnstruktur weiter gestaucht werde, so der Experte.Durch die Lohnanpassungen ist auch der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor insgesamt zurückgegangen. Zwar liegt er im Osten mit 29,1 % höher als im Westen einschließlich Berlins mit 20 %. Allerdings ist der Anteil in den neuen Bundesländern um 5,4 Punkte gesunken, während er im Westen um 0,7 Punkte zunahm. Insgesamt zählten 2018 noch 21,1 % der Beschäftigungsverhältnisse zum Niedriglohnsektor. Zu diesem gehören alle Arbeitnehmer, die weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes erhalten. Das waren im April 2018 brutto 11,05 Euro je Arbeitsstunde.