AMERIKA HAT GEWÄHLT

London bangt um "Special Relationship"

Weder Trump noch Biden buhlen um Britannien

London bangt um "Special Relationship"

Von Andreas Hippin, LondonEs klingt ein bisschen wie das Pfeifen im finsteren Wald, wenn der britische Außenminister Dominic Raab angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens um das Weiße Haus beteuert, dass er sich keine Sorgen um die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten mache. Er sei zuversichtlich, dass sich das britisch-amerikanische Verhältnis in einem guten Zustand befinde, egal ob ein Demokrat oder ein Republikaner gewinne. Der viel zitierte Begriff “Special Relationship” geht auf eine Rede Winston Churchills aus dem Jahr 1946 zurück und bezieht sich darauf, dass die beiden Länder nicht nur enge Wirtschaftsbeziehungen unterhalten. Sie arbeiten auch militärisch intensiv zusammen, unter anderem bei der Beschaffung und Entwicklung von Waffensystemen. Britische Militärbasen wie Ascension Island im Atlantik oder Diego Garcia im Indischen Ozean werden auch von den Vereinigten Staaten genutzt. Kritiker nennen das Vereinigte Königreich einen “Satellitenstaat” der USA.Tatsächlich ist die “Special Relationship” nicht erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump reichlich angeschlagen. Dessen Vorgänger Barack Obama erntete in Großbritannien viel Kritik für seine Drohung, die Briten müssten sich ganz hinten anstellen, wenn sie nach einem Votum für den Brexit ein Freihandelsabkommen mit den USA aushandeln wollten. Der britische Premierminister Boris Johnson rief wiederum nicht nur in den Vereinigten Staaten Empörung hervor, als er Obama unterstellte, er habe wegen seiner kenianischen Abstammung noch eine Rechnung mit dem britischen Empire offen. “Britain Trump”Obamas ehemaliger Vizepräsident Joe Biden dürfte diese Äußerung nicht vergessen haben. Er nannte Johnson einen “physischen und emotionalen Klon” von Trump. Damit ist er gar nicht so weit entfernt vom Amtsinhaber, der sich offenbar in seinem britischen Kollegen wiedererkennt und ihn bei seiner Wahl zum Tory-Chef liebevoll als “Britain Trump” bezeichnete. Trump versprach den Briten zudem die Poleposition, wenn es um ein Freihandelsabkommen geht, doch getan hat sich in diese Richtung nicht viel.Sollte Biden den Sieg davontragen, dürfte Johnsons Nähe zu Trump die Chancen auf einen Abschluss nicht gerade erhöhen. Zudem fühlt sich Biden, der seine Wurzeln auf die Grüne Insel zurückverfolgen kann, offenbar der irischen Lobby in den USA verpflichtet. In den Jahren des nordirischen Bürgerkriegs erhielt die IRA nicht nur Unterstützung aus Ländern wie Libyen, sondern auch von Noraid, einer irisch-amerikanischen Hilfsorganisation. Bis heute kennen irischstämmige Amerikaner die Namen der Führer der linksnationalistischen Sinn Féin besser als die der irischen Premierminister. New Yorks demokratischer Bürgermeister Bill de Blasio äußerte vor zwei Jahren bei einem Frühstücksempfang zum St. Patrick’s Day die Idee, man könnte den Feiertag doch in “Gerry Adams Day” umbenennen. Der so umworbene ehemalige Führer von Sinn Féin war anwesend, der damalige irische Premier Leo Varadkar ebenfalls, doch wurde ihm solche Ehre nicht zuteil. Vor diesem Hintergrund ist die Warnung der Demokraten an London, in den Verhandlungen mit der EU den nordirischen Friedensprozess nicht aufs Spiel zu setzen, vielleicht nicht ganz so unparteiisch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag.Für die USA liegt ein Freihandelsabkommen mit der EU ohnehin näher als ein Deal mit dem Vereinigten Königreich. Deshalb kann Johnson auch nicht auf einen schnellen Abschluss hoffen, wenn sich Trump im Amt hält. Denn am Ende sind es Außenhandelsexperten, die solche Verträge aushandeln, und denen geht es um handfeste Vorteile für das eigene Land – etwa für die US-Agrarlobby, die es gar nicht erwarten kann, den britischen Markt mit ihren Produkten zu fluten. Das mag beschwerlich sein, bedeutet aber auch, dass Biden weniger Einfluss auf die Gespräche hätte, als vielleicht in London befürchtet.