London präsentiert Notfallplan für Brexit

Finanzbranche auf EU-Wohlwollen angewiesen

London präsentiert Notfallplan für Brexit

bet London – Die britische Regierung stellt sich auf das Risiko eines “harten” Brexit ein und versucht, die Wirtschaft auf einen ungeordneten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU vorzubereiten. Sollte mit der Staatengemeinschaft kein Abkommen über die Neuordnung der Beziehungen zustande kommen, wird Großbritannien in einigen Fällen unilateral EU-Regeln übernehmen, um die Verwerfungen möglichst klein zu halten. Das sagte der für den Brexit zuständige Minister Dominic Raab am Donnerstag in der ersten großen Rede seit seinem Amtsantritt Anfang Juli. “Keine Einigung zu finden ist nicht das, was wir erwarten. Aber wir müssen vorbereitet sein”, sagte Raab. Zeitgleich veröffentlichte sein Ministerium die ersten Anleitungen, wie der grenzüberschreitende Austausch in einzelnen Branchen und Themenfeldern nach einem “No Deal” geregelt werden kann. Beispielsweise plant die Regierung beim Import von Medikamenten, Zulassungen aus der EU anzuerkennen, um die Versorgung Großbritanniens nicht zu gefährden. Im Gegenzug hofft London, dass Brüssel auch heimische Zulassungen britischer Arzneimittel für den Export in die EU akzeptieren wird – kann das aber auch nicht garantieren. Anleitung für ZollprozedurenMit den Anleitungen erhalten britische Firmen auch Informationen, wie sie sich auf Zollprozeduren einstellen können. Ohne ein neues Handelsabkommen mit der EU könnte das Vereinigte Königreich auf Zölle und Herkunftsregeln für Waren gemäß den Standards der Welthandelsorganisation (WTO) zurückfallen, wenn es Ende März 2019 die Zollunion und den Binnenmarkt verlässt. Konzerne haben in den vergangenen 18 Monaten zwar Notfallpläne erstellt, sagte jüngst Carolyn Fairbairn, Direktorin der Confederation of British Industry (CBI), im Gespräch mit Journalisten. Aber kleine und mittlere Unternehmen hätten sich aus Mangel an Ressourcen und Informationen nicht vorbereiten können.150 000 britische Firmen handelten bisher höchstens mit EU-Ländern und besäßen keine Systeme zur Bewältigung von Zollformalitäten, erläuterte Fairbairn. Für sie reiche die Zeit, sich auf einen Außenhandel nach WTO-Regeln ab April vorzubereiten, schon jetzt nicht mehr aus. Ein “No Deal” sei eine riskante Situation und werde einen deutlichen Effekt auf Lieferketten haben, so Fairbairn. Eine Umfrage des Arbeitgeberverbandes Institute of Directors zeigte bereits Anfang August, dass die Hälfte der befragten Unternehmen keinerlei Brexit-Vorbereitungen getroffen habe, davon mehr als 40 % nicht zuletzt auch wegen der Unklarheit über ein mögliches Brexit-Verhandlungsergebnis.Auf die am Donnerstag publizierten 25 Anleitungen sollen bis Ende September rund 50 weitere folgen. Für einige Felder lassen sich allerdings keine abschließenden Empfehlungen geben. Dazu zählt der britische Finanzsektor. Banken und Finanzdienstleister werden höchstwahrscheinlich den sogenannten EU-Pass verlieren, der ihnen den reibungslosen Zugang zum Markt der Union ermöglicht. London ist bereit, EU-Anbieter nach dem Brexit vorerst ohne weitere Einschränkungen im Vereinigten Königreich weiterarbeiten zu lassen. Allerdings hängt es entscheidend von der Brüsseler Regulierung ab, wie britische Banken in der EU operieren können und wie Kunden aus der EU britische Finanzangebote wahrnehmen dürfen. Beim “No Deal” droht im schlimmsten Fall ein Ausschluss britischer Finanzdienstleister von Tätigkeiten für Kunden aus dem EU-Raum, sei es beim Zugang zu Konten, der Abwicklung von Börsentransaktionen oder der Fortführung von bestehenden Finanzverträgen. Gute Kooperation mit EZBDazu muss es nicht kommen. Als Beispiel für gute Kooperation nannte Brexit-Minister Raab die Arbeitsgruppe, die im April von der Bank of England und der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet wurde. Um ein Scheitern der politischen Gespräche abzuwenden, ist allerdings noch viel Einsatz nötig. Raab und EU-Chefunterhändler Michel Barnier haben in dieser Woche die Brexit-Verhandlungen nach dem Ende der Sommerpause wieder aufgenommen.