Ludwig Erhards Zigarren glimmen noch
Ludwig Erhards Zigarren glimmen noch
Von Andreas Heitker, Berlin
Wenn der Wirtschaftsrat der CDU die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft in Gefahr wähnt, ficht er selten mit feinem Florett. Da werden größere Geschütze aufgefahren, um die Planwirtschaftler zu brandmarken, von denen es in der aktuellen Regierungskoalition ja offensichtlich viele gibt. Und so war der Festakt, zu dem die einflussreiche Unternehmerorganisation am Dienstagabend anlässlich ihres 60. Geburtstages in ein Berliner Hotel geladen hatte, auch weniger eine fröhliche Feier, sondern mehr ein großes Klagen über Bevormundungen durch die Politik und Einschränkungen der Freiheit. Woran das liegt, sagt Präsidentin Astrid Hamker: Es fehle der ökonomische Sachverstand innerhalb der politischen Führungen in Berlin und Brüssel, klagt sie. „Die Wichtigkeit von Wohlstand und Wachstum für den gesellschaftlichen Frieden werden von großen Teilen linker Politik nicht mehr verstanden – das ist bedenklich.“
Der Wirtschaftsrat sieht sich als Verteidiger des Erbes von Ludwig Erhard. Dass eine große Büste des Ex-Kanzlers und Ex-Wirtschaftsministers auf der Bühne direkt neben dem Rednerpult platziert wurde, soll noch einmal verdeutlichen, dass dessen Leitsätze auch heute noch aktuell sind. Dem Wirtschaftsrat sei immer bewusst gewesen, was er an Erhard habe, sagt Generalsekretär Wolfgang Steiger und verweist auf das besondere Geburtstagsgeschenk zum 75. Geburtstag Erhards: Der Wirtschaftsrat hatte da versprochen, ihm bis an sein Lebensende seine Zigarren zu bezahlen. Es waren immerhin bis zu 15 am Tag.
Als Sinnbild des Anti-Zigarren-Rauchers hat man beim Wirtschaftsrat insbesondere den heutigen Bundeswirtschaftsminister ausgemacht. Nicht nur CDU-Chef Friedrich Merz, der in dieser Runde immer ein Heimspiel hat, fährt harte Attacken gegen Robert Habeck. Der Ökonom Lars P. Feld, Ex-Wirtschaftsweiser und heute Berater des Finanzministers, wirft dem Grünen im Zusammenhang mit seiner Industriestrategie Populismus vor. Merz sagt, auch er wolle die grüne Transformation der Wirtschaft – aber eben nach anderen Prinzipien. Die nächste Bundestagswahl werde eine Richtungswahl, betont er.
Eine „Heidenaufgabe“ wird es nach Ansicht von Roland Koch, Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung, allerdings werden, wenn wieder "eine marktwirtschaftliche Regierung" ans Ruder kommt und "die Planer an die Seite schickt“. Der Ex-Ministerpräsident warnte, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft würden nicht immer gerne in die Wahlprogramme geschrieben, und verweist auf ein Beispiel aus den eigenen Reihen: „Angela Merkel hat relativ viele Dinge, die man sehr gut im Wirtschaftsrat der CDU vertreten konnte und die sehr viel mit Sozialer Marktwirtschaft von Ludwig Ehrhard zu tun hatten, bis 2005 vertreten“, sagt er. Aber anschließend sei Merkel dann 16 Jahre recht erfolgreich der Meinung gewesen, dass man möglicherweise leichter gewählt werde, wenn man diese Prinzipien nicht mehr so engagiert vertrete. Das ist dem Publikum einen Extra-Applaus wert.
Im Dezember 1963 ist der Wirtschaftsrat der CDU – der nach wie vor kein Parteiorgan ist – von 157 Unternehmern in der Bonner Beethovenhalle gegründet worden. Heute hat der Rat mehr als 12.000 Mitglieder. Einige von ihnen stehen an diesem Festabend auf der Bühne, wie Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Zu ihrer Rolle heute sagt sie: „Ich glaube, wir sollten uns wehren." Es gehe ans Eingemachte. Der Mittelstand ersticke an Regulierung. Der Staat sollte sich mehr raushalten aus der Wirtschaft, bringt sie das Credo noch einmal auf den Punkt. Ein Vertreter der Ampel ist an diesem Abend auch da: Volker Wissing. Der Verkehrsminister sagt: "Wir Freunde der Marktwirtschaft müssen zusammenhalten." Und damit können dann auch alle gut leben.
Der Wirtschaftsrat der CDU fordert zum 60. Jubiläum einen marktwirtschaftlichen Richtungswechsel in der Politik.