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Luis de Guindos 60

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 15.1.2020 Die Sorgen waren groß, als Luis de Guindos im Sommer 2018 zum Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) berufen wurde. Viele Experten warnten vor einer weiteren Politisierung der...

Luis de Guindos 60

Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Sorgen waren groß, als Luis de Guindos im Sommer 2018 zum Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) berufen wurde. Viele Experten warnten vor einer weiteren Politisierung der Notenbank – schließlich wechselte der Spanier nahezu unmittelbar vom Posten des Wirtschaftsministers zur EZB. Dass mit der Französin Christine Lagarde vergangenes Jahr auch noch eine ehemalige Finanzministerin EZB-Präsidentin geworden ist, hat solche Bedenken noch geschürt. De Guindos, der am morgigen Donnerstag seinen 60. Geburtstag feiert, ficht das aber nicht an. Ganz im Gegenteil: Er sieht die politische Expertise als einen Vorteil für die EZB.”Wir verstehen uns als Kollegium und bringen unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe ein”, sagte de Guindos Ende vergangenen Jahres im Interview der Börsen-Zeitung und fügte hinzu: “Ich zum Beispiel war spanischer Wirtschaftsminister in der schlimmsten Phase der Schuldenkrise, bin Ökonom und weiß, welche Probleme das Bankensystem für eine Wirtschaft kreieren kann. Ich kenne die Konsequenzen einer Kredit- und Häusermarktblase, wenn diese platzt.” Vom Minister zum Euro-HüterTatsächlich sind damit auch die vielfältigen beruflichen Stationen und Erfahrungen des Neu-Zentralbankers bereits bestens umrissen: Von 2011 bis 2018 war de Guindos Wirtschaftsminister seines Landes. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre hatte der Staatsökonom und Handelsexperte zunächst im Wirtschaftsministerium Erfahrungen gesammelt, ehe er auch Ausflüge in die private Wirtschaft machte. Unter anderem war de Guindos Chief Executive Officer der US-Investmentbank Lehman Brothers für Spanien und Portugal, als diese im Jahr 2008 Insolvenz anmeldete – und damit die Weltfinanzkrise auslöste.Als Wirtschaftsminister handelte de Guindos im Jahr 2012 mit den EU-Partnern ein 100-Mrd.-Euro-Rettungspaket für die spanischen Banken aus, die durch die Immobilienblase in Schieflage geraten waren. Die spanische Wirtschaft erholte sich in den folgenden Jahren und mauserte sich sogar zum Wachstumstreiber in der Eurozone. Das brachte auch de Guindos viel Respekt in Spanien und in der EU ein – auch wenn ihm Kritiker wie der frühere spanische Zentralbankchef Miguel Angel Fernández Ordóñez vorhalten, mit Fehlentscheidungen in den ersten Monaten seiner Amtszeit die Krise erst noch verschärft zu haben.Nicht zuletzt in Deutschland machte sich de Guindos auch mit seinen Plädoyers für eine Sparpolitik (Austerität) einen Namen. Der frühere griechische Finanzminister Giannis Varoufakis schreibt in seinem Buch “Adults in the Room”, dass de Guindos in der Eurogruppe niemals eine Gelegenheit ausgelassen habe, um sich im Streit mit Griechenland an die Seite des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble zu stellen. Deutschland unterstützte denn auch 2018 de Guindos` Kandidatur für den EZB-Posten. Damit war auch die Hoffnung verbunden, so die Chancen von Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf die Nachfolge von Mario Draghi zu erhöhen – ein Kalkül, das aber nicht aufging.Seit Mitte 2018 fungiert der zweifache Familienvater, praktizierende Katholik und glühende Atlético-Madrid-Fan nun als EZB-Vizepräsident, vor allem verantwortlich für Finanzstabilität und makroprudenzielle Politik. Als Wirtschaftsminister hatte er lange dafür gekämpft, dass Spanien wieder einen Sitz im sechsköpfigen Führungsgremium der EZB einnehmen konnte, – und griff dann beherzt selbst zu, als sich die Chance bot. In seinem 2012er Buch “Spain under Threat” über die Krise hatte de Guindos geschrieben, dass mit dem Verlust des EZB-Direktoriumspostens anno 2012 Spanien “mindestens in die zweite Klasse” herabgestuft worden sei. Jetzt spielt das Land mit ihm wieder in der ersten Liga.