LEITARTIKEL

Machtlos in Washington

Für Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Reise nach Washington zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) besser gelaufen als erwartet. Anders als für die internationale Staatengemeinschaft. Sie zeigt sich...

Machtlos in Washington

Für Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Reise nach Washington zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) besser gelaufen als erwartet. Anders als für die internationale Staatengemeinschaft. Sie zeigt sich machtlos in einer Welt, in der sich bislang als verlässlich geglaubte Strukturen auflösen. Aber zuerst zu Scholz: Die in Berlin befürchteten kritischen Rufe der internationalen Staatengemeinschaft, Deutschland solle seinen fiskalischen Spielraum stärker nutzen, um die Weltwirtschaft anzukurbeln, blieben aus. Auch im Kreis der Finanzminister und Notenbankgouverneure der führenden Wirtschaftsnationen – der G20 -, die am Rande des Treffens in Washington tagten, stand der Vizekanzler nicht am Pranger. Das kommt ihm zuhause gelegen, wo er Wahlkampf um den Vorsitz der SPD führt.Die neue IWF-Chefin, Kristalina Georgieva, adelte Scholz sogar auf internationaler Bühne. Deutschland stellte sie gute Noten für das Klimapaket aus, auf rund 400 Mrd. Euro reguläre Investitionen in der nächsten Dekade werden aus dem Bundeshaushalt noch einmal 150 Mrd. Euro für saubere Luft draufgesattelt. Das politische Kalkül des Bundesfinanzministeriums, mit hohen Zahlen durch eine möglichst lange Periodenbetrachtung bei G20 und IWF zu beeindrucken, ging auf. Dass hierzulande das ins Schaufenster gestellte Geld wegen überbordender Bürokratie, mangelnder Planungskapazität der öffentlichen Hand und ausgelasteter Kapazität in der Baubranche nur schleppend abfließt, steht auf einem anderen Blatt.Gleichwohl gilt die Feststellung: Das Wachstum gibt international nach. Nicht nur der IWF nahm seinen Prognosen für die Weltwirtschaft deutlich zurück, auch hierzulande schrauben die Konjunkturforscher die Erwartungen zurück. Die Analyse der Ursache ist eindeutig. Die Probleme sind hausgemacht von der Politik. Der von US-Präsident Donald Trump befeuerte Handelsstreit mit China – und auch Europa – lastet schwer auf der globalen Wirtschaft. Exportabhängige Länder wie Deutschland spüren dies besonders. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten. Eskaliert die Lage in Syrien nach dem Einmarsch der Türkei, drückt dies die Stimmung weiter. Der unmilitärische Kampf des britischen Premiers Boris Johnson, das Vereinigte Königreich aus der EU zu beordern, birgt unkalkulierbare Risiken für die europäische Wirtschaft. Institutionen wie die Bundesbank beziffern inzwischen die negativen Effekte auf das Wachstum. Nicht zu beziffern ist die enorme Unsicherheit. Sie bremst private Investoren und Firmen, Geld in die Hand zu nehmen und die Konjunktur in Schwung zu versetzen.Kühl betrachtet ist Alarmismus fehl am Platz. Noch wächst die Weltwirtschaft, noch ist die Beschäftigung in starken Industrieländern hoch. Die Konjunktur hat bislang nur einen Schnupfen. Der Einsatz von mehr öffentlichen Mitteln könnte sogar in Preissteigerungen verpuffen. Das wäre reine Geldverschwendung. Die Unruhe hat aber einen anderen Grund. Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit politisch Verantwortlicher ist erschüttert. Wer wie Trump sprunghaft agiert und bislang gültige internationale Regeln im Welthandel zur Disposition stellt, ohne sich um die Folgen zu scheren, dem traut kaum ein Investor. Ähnlich verhält es sich mit der erratischen Politik von Johnson im Brexit. Die politische Verantwortung endet wohl beim eigenen Ego, spätestens aber an der Landesgrenze.Neue Unsicherheiten tauchen schon am Horizont auf. Bei den internationalen Arbeiten an der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung zeichnet sich international ein Verteilungskampf um das Steuersubstrat ab. Die Nachfrageländer wollen mehr vom Kuchen bekommen. Für Exportländer wie Deutschland ist das gefährlich. Die Digitalisierung lässt Projekte wie die geplante Facebook-Währung Libra entstehen. Bislang unkalkulierbar sind die Folgen für das geldpolitische Monopol der Notenbanken und die weltweite Finanzstabilität.——Von Angela WefersDie internationale Staatengemeinschaft sucht eine Lösung für die hausgemachten Probleme der Wachstumsdelle – bislang erfolglos.——