Macri verteilt umstrittene Wahlgeschenke

Fiskalische Schritte zeitlich begrenzt - Vertrag mit IWF kann nicht eingehalten werden - Turnusgemäße Überprüfung steht an

Macri verteilt umstrittene Wahlgeschenke

Argentinien stehen bis zur Präsidentenwahl unruhige Wochen bevor. Die Anleger haben zum Wochenende hingegen ihre Nervosität etwas verloren. Und während sich die Mittelklasse über Wahlgeschenke freuen darf, führt die fehlende Gegenfinanzierung beim Internationalen Währungsfonds zu Unmut.af Buenos Aires – Nachdem Argentiniens Finanzmärkte zu Wochenanfang in ein Chaos gestürzt waren, hat sich in Buenos Aires eine angespannte Ruhe ausgebreitet. Präsident Mauricio Macri hatte am Mittwoch ein “mea culpa” an die Bürger mit einer Serie von Steuererleichterungen kombiniert und gleichzeitig seinen bei den Vorwahlen am Sonntag überlegenen Kontrahenten Alberto Fernández um ein persönliches Gespräch gebeten, worauf sich die extrem nervösen Anleger leicht beruhigten. Nachdem Fernández am Donnerstag die Rückkehr zu Devisenkontrollen ausgeschlossen sowie seine Einschätzung kundgetan hatte, der Peso liege nach der Abwertung um etwa 25 % nun auf einem realistischen Niveau, konnte die Zentralbank die Talfahrt einigermaßen stoppen. Am Donnerstag und Freitag pendelte der Dollar unter der 60-Peso-Marke.Für Überraschung sorgten bei Investoren die fiskalischen Maßnahmen der Regierung, die auf die Mittelklasse zielen, welche Macri am Sonntag deutlich den Rücken gekehrt hat. Macri erhöhte die Freibeträge in der Einkommensteuer, sagte Sonderaufschläge für das Kindergeld zu, versprach Bonuszahlungen für Staatsdiener und erlaubte Kleinbetrieben und Selbständigen, ihre Steuerschulden binnen zehn Jahren abzustottern. Auch befreite er etwa 20 Grundnahrungsmittel von jeglicher Mehrwertsteuer, um so den Preisanstieg auszugleichen, der auf die Abwertung des Peso unweigerlich folgen dürfte.Die umstrittenste Maßnahme ist die Festschreibung der Treibstoffpreise für 90 Tage, die den Ölkonzernen durch ein Präsidialdekret auferlegt wurde. Anfänglich sprach die Regierung von einem freiwilligen Agreement. Aber als die Mineralölkonzerne ein solches dementierten, wurde lanciert, dass Macri ein Notgesetz aus den 1940er Jahren anwenden könnte. Letztlich wählten Macris Rechtsberater die Form der präsidialen Notverordnung. Weil hinter den meisten Ölkonzernen internationale Anleger stehen, muss sich Argentinien wohl auf Schadenersatzforderungen vor Gerichten einstellen. Bruch mit FinanzministerDa die meisten dieser Schritte auf die nächsten zwei bis drei Monate beschränkt sind, halten Marktbeobachter diese für Wahlgeschenke. “Die Argentinier lieben solchen Populismus”, resümiert der Analyst German Fermo, Direktor der Agentur MacroNews. Noch ist nicht ganz klar, wie viel diese Gaben kosten werden, vorläufige Berechnungen belaufen sich auf umgerechnet 700 Mill. bis 1 Mrd. Euro. Weil die Bürger diese Zusatzmittel unmittelbar wieder ausgeben werden, dürfte ein Teil der Reduktionen über die Steuern wieder hereinkommen. Finanzminister Nicolás Dujovne hatte vorige Woche versucht, eine Gegenfinanzierung durch eine Erhöhung der Ausfuhrzölle für Soja und Mais sicherzustellen. Aber das war durch den erbitterten Widerstand des Landwirtschaftsministers und wohl auch des Präsidenten verhindert worden. Der Agrarsektor war bei der Vorwahl Macris bedeutendster Rückhalt. Der interne Streit bewirkte offenbar einen Bruch mit Dujovne und auch mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF).”Was Macri unterschrieb, existiert nicht mehr. Er kann den Vertrag mit dem IWF nicht einhalten” sagte Fernández. Die Wahlgeschenke ohne Gegenfinanzierung werden dazu führen, dass das vereinbarte Ziel eines ausgeglichenen Primärhaushalts – also eines Budgets ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes – verfehlt wird. Noch hat sich der IWF nicht deutlich dazu geäußert, aber Signale werden erwartet, wenn die Emissäre des Fonds kommende Woche zur turnusgemäßen Überprüfung nach Buenos Aires kommen. Dabei werden die IWF-Vertreter auch Fernández und dessen Wirtschaftsteam treffen, um die Ausgestaltung der letzten Zahlungsraten sowie die ab 2021 anstehende Rückzahlung zu besprechen. Fernández verwies im Vorfeld darauf, dass er trotz seines 15-prozentigen Vorsprungs bei den Vorwahlen nichts anderes sei als ein Kandidat für die Präsidentschaftswahl und sich daher nicht imstande sehe, mit dem IWF zu verhandeln.Die Vorwahlen, 2009 von den Kirchners aus wahltaktischen Motiven eingeführt, hinterließen vorigen Sonntag einen Sieger ohne Macht und einen Regierungschef ohne Rückhalt. Bis zum Wahltag am 27. Oktober muss sich Argentinien auf volatile Wochen einstellen. – Personen Seite 12